© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Pankraz,
Dr. NakaMats und das Erfinderglück

Jetzt ist Japans berühmt-berüchtigter „Serienerfinder“ Dr. NakaMats (84, mit bürgerlichem Namen Yoshirō Nakamatsu) offenbar irgendwie durchgeknallt. Er behauptet, das Perpetuum mobile erfunden zu haben, jenen Apparat also, der – einmal in Gang gesetzt und ohne daß ihm je Energie von außen zugeführt wird – bis in alle Ewigkeit vor sich hinzappelt und mit dessen Hilfe folglich alle modernen Energienöte demnächst beseitigt würden. Die Begeisterung der Öffentlichkeit hält sich freilich in engen Grenzen; man kennt seinen Dr. NakaMats eben und wartet lieber erst einmal ab.

Dabei ist der Mann keineswegs ein notorischer Spinner. Er ist mit wissenschaftlichen Titeln geschmückt, unterhält seit Jahrzehnten eine Firma zur Förderung von Hochtechnik und besitzt zahlreiche Patente. Er selbst behauptet von sich, er sei der Erfinder unter anderem der Diskette, der CD, des Faxgeräts, der Digitaluhr – und die Fachwelt spricht ihm eine Beteiligung an der Entwicklung all dieser schönen Produkte keineswegs ab. Nur: Er sei es nicht allein gewesen, der erfunden hat, er solle nicht so ruhmsüchtig sein und nicht so aufschneiden in seinem ehrwürdigen Alter.

Soeben hat ihm die Hauszeitschrift der legendären Smithonian Institution in Washington einen längeren Artikel gewidmet, und der ist zwar durchaus respektvoll gehalten, aber nicht frei von sarkastischen Untertönen. Jede Nacht, lesen wir da, ziehe der Meister sich zum Erfinden in seinen „Ruheraum“ zurück, nämlich in eine mit 24karätigem Gold gekachelte Toilette (!), weil das Gold, wie er erklärt, die Radio- und Fernsehwellen abhalte. Auch sei sein Erfinderraum „ohne Nägel“ erbaut, denn Nägel seien grundsätzlich schädlich für die zum Erfinden nötige frei schweifende Intuition.

Die Fachkritik, die sich schon seit längerem gegen Dr. NakaMats zusammenballt und derzeit sichtlich zur vollen Entladung drängt, läßt sich demgemäß auf folgenden derben Nenner bringen: Erfunden wird –zumindest in unseren modernen Tagen – nicht in der unvernagelten Stille vergoldeter Scheißhäuser, sondern im wissenschaftlich-technischen Laboratorium und in hitziger Expertendiskussion. Eine Erfindung ist kein momentaner Einfall, auch keine zufällige Entdeckung, sie muß praktisch erarbeitet und ausprobiert werden, sie ist das Resultat von „trial and error“, muß sich allen möglichen Falsifizierungsversuchen aussetzen.

Schon die entscheidenden Erfindungen der Ur- und Anfangszeit trugen das Stigma kollektiver Arbeit und Anonymität: der Faustkeil, die Axt, die Sichel, das Schwert, Pfeil und Bogen. Die großen Erfinder der Neuzeit, von Johannes Gutenberg bis James Watt, von Alfred Nobel bis Konrad Zuse, waren allesamt eingebettet in ein experimentierendes Umfeld von zuarbeitenden oder konkurrierenden Kollegen; die Zuschreibungen erfinderischen Ruhms waren stets schwierig und manchmal ungerecht. Oftmals sind sie schlicht unmöglich.

Höchst auffällig, daß – soweit Pankraz sich erinnert – noch nie ein technischer Erfinder einen Physik- oder Chemie-Nobelpreis erhalten hat. Die gingen statt dessen an Entdecker bereits bestehender Konstellationen, wobei der sozial-praktische Nutzen der jeweiligen Entdeckung immer seltener ins Kalkül der Preisverleiher geriet. Zur Zeit werden in der Regel Entdeckungen von subatomaren „Teilchen“ prämiert, die bereits nach einer Millionstelsekunde nach ihrem Auftritt in der Nebelkammer wieder verschwunden sind und von denen niemand weiß, was sie bedeuten und ob sie überhaupt etwas bedeuten.

Angesichts solcher Verhältnisse wäre dem so ruhmsüchtigen und zum Aufschneiden neigenden Dr. NakaMats vielleicht zu raten, sich vom Erfinden aufs Entdecken zu verlegen. Er könnte etwa entdecken, daß die von ihm so eifrig mit Anträgen überschütteten Patentämter auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren. Sich selbst hat er einst zum größten Patente-Inhaber aller Zeiten erklärt, aber was nützt ihm das denn? Die derzeitigen Patentämter sind bis oben hin mit Patenten vor allem aus der Internetbranche vollgestopft, und eins ist läppischer als das andere.

Amazon zum Beispiel besitzt laut Patent „den Prozeß, welcher es gestattet, Sachen mittels eines einzigen Klicks zu erwerben“. Apple seinerseits hat für sich das Recht schützen lassen, „Kommunikationsgeräte in Form eines Rechtecks mit abgerundeten Ecken zu verkaufen, auf denen Icons in einem Raster und mit einer Reihe feststehender Icons am unteren Bildschirmrand angeordnet sind“. Bei solcher Konkurrenz kann man es beinahe verstehen, daß dem Dr. NakaMats als letzter Weg, endlich zu dauerhaftem Erfinderruhm zu kommen, nur noch die Erfindung des Perpetuum mobile eingefallen ist.

Damit ist er nun aber, wie gesagt, durchgeknallt und hat sich aus der Ruhmeshalle großer Erfinder hinauskatapultiert. Um das Perpetuum mobile zu erfinden, müßte er der Liebe Gott persönlich sein. Für uns Menschen gilt unverbrüchlich das Energieerhaltungsgesetz, das heißt, wir müssen uns damit abfinden, daß die Gesamtenergie des Systems Kosmos nicht von der Zeit abhängt und konstant bleibt. Energieformen können sich nicht aus sich selbst heraus vermehren, sie können sich nur ineinander verwandeln, was sie auch unaufhörlich tun.

Eigentlich schade um Yoshiro Nakamatsu alias Dr. NakaMats. Seine Umtriebigkeit und ungeheure mediale Betriebsamkeit taugen eher für die Politik als für die Wissenschaft, doch für die Politik war er wohl nicht heimtückisch und hinterfotzig genug. Er hat im Laufe seiner Karriere einige Male versucht, in der Politik Fuß zu fassen und Gouverneur von Tokio zu werden, aber bei der letzten Gouverneurswahl in der Präfektur Tokio 2007 erhielt er nur 1,56 Prozent der Stimmen – und zusätzlich viel Spott von den Medien und den anderen Parteien.

Am Ende bleibt ihm nicht einmal das Golfspiel! Auch da ist er zwar erfinderisch tätig gewesen, besitzt ein Patent auf ein spektakuläres Putt-Übungsgerät. Indes, sein Handicap ist leider katastrophal.

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