© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Macht in Hitlers Vorzimmer
Volker Koops Biographie Martin Bormanns
Uwe Ullrich

Von der Ferne betrachtet war sein Lebensweg unspektakulär: Sekretär. Zu seinen Aufgaben zählten unter anderem Dienstaufsicht über Hauspersonal, Vermittlung eingegangener Vorschläge, Übermitteln dazu gefällter Entscheidungen, Teilnahme an den Besprechungen des Vorgesetzten und Betreuung dessen persönlicher Angelegenheiten. Martin Bormann (1900–1945) hinterließ weder Tagebücher noch Redemanuskripte. Seine Hinterlassenschaft sind ungezählte Anordnungen, Verlautbarungen und Rundschreiben.

Der spätere Stabsleiter des „Führer-Stellvertreters“ Rudolf Heß und nach dessen Schottlandflug im Mai 1941 selbst Leiter der Parteikanzlei der NSDAP und offiziell zum „Sekretär des Führers“ ernannt, wurde kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges noch rekrutiert, wurde aus der Armee ohne Fronteinsatz entlassen. Mittellos, ohne berufliche Ausbildung verdingte er sich anschließend als Landwirtschaftseleve in Mecklenburg, wo Martin Bormann 1923 das erste Mal wegen eines Wirtschaftsdeliktes mit dem Gesetz in Konflikt kam und ein Jahr später wegen Beteiligung an einem Fememord zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Da er kein „alter Kämpfer“ und frühzeitiger Parteigenosse war, profilierte sich Bormann 1933 mit seiner Initiative der „Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft“ in der Parteiriege. Früheren Weggefährten wie Philipp Bouhler oder Alfred Rosenberg begegnete er mit unverhohlener Feindschaft und ließ sie unentwegt seinen Einfluß auf Hitler spüren. „Möglicherweise weil sie ihn in früheren Zeiten in untergeordneter Stellung kennengelernt hatten. Er genoß es, die Repräsentanten des Regimes zu demütigen, vor allem, wenn sie ihm intellektuell überlegen waren“, beschreibt sein Biograph, der Historiker Volker Koop, den skrupellosen Machtmenschen anhand vieler Zitate aus den Notizen des teilweise intriganten Gespinsts der NS-Paladine von Goebbels bis Himmler.

Immerhin läßt der überlieferte Briefwechsel des liebenden Ehegatten und treusorgenden Familienvater mit Ehefrau Gerda (Tochter des Obersten NS-Parteirichters Walter Buch) einen versprengten helleren Lichtstrahl auf die durchweg düstere Persönlichkeitsskizze eines unbeliebten Vorzimmerchefs des NS-Diktators zu.

Volker Koop: Martin Bormann. Hitlers Vollstrecker. Böhlau Verlag, Köln 2012, gebunden, 373 Seiten, Abbildungen, 29,90 Euro

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