© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

„Einige rechtliche Risiken“
NPD: Auch nachdem sich die Ministerpräsidenten einstimmig für ein neues Verbotsverfahren ausgesprochen haben, verstummen die Kritiker nicht
Felix Krautkrämer

Der Anlauf zu einem neuen NPD-Verbotsverfahren scheint beschlossene Sache. Nachdem sich die Ministerpräsidenten vergangene Woche einstimmig darauf verständigten, einen zweiten Versuch in Karlsruhe zu wagen, dürfte an diesem Freitag ihrem Antrag im Bundesrat nichts mehr entgegenstehen. Fraglich bleibt allerdings, ob auch die Bundesregierung und der Bundestag – wie zuletzt 2001 – den Antrag unterstützen werden.

Diejenigen, die ein Verbot der NPD schon seit längerem fordern, wie der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier (CDU), drängen darauf. Ein gemeinsamer Antrag aller drei Instanzen wäre ein wichtiges Zeichen, daß die NPD von niemandem in Deutschland geduldet werde, sagte er.

Andere dagegen haben ganz offensichtlich Bauchschmerzen, was einen erneuten Gang vor das Bundesverfassungsgericht betrifft. Schon beim Beschluß der Innenministerkonferenz zum NPD-Verbot vergangene Woche, welcher der Entscheidung der Länderchefs vorausgegangen war, äußerten Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seine CDU-Kollegen aus Hessen und dem Saarland, Boris Rhein und Monika Bachmann, Bedenken. Die NPD sei zwar zweifellos eine verfassungsfeindliche Partei, man müsse aber auch auf die „erheblichen Risiken“ eines solchen Verfahrens hinweisen, warnte Friedrich in einer gemeinsamen Erklärung. Noch deutlicher wurde Rhein: Er erkenne zwar an, „daß wir jetzt viel besser aufgestellt sind, als 2002/2003“, gleichwohl aber blieben „große Zweifel an der Richtigkeit des Weges“. Trotz der Bedenken trugen alle drei Minister die Empfehlung für die Ministerpräsidenten, ein Verbot der NPD anzustreben, mit.

Doch auch wenn der Beschluß einstimmig gefällt wurde, vermitteln einige Unionspolitiker den Eindruck, sie hätten sich überrumpeln lassen und säßen nun in einem Zug, aus dem sich – einmal in Fahrt gesetzt – nicht wieder aussteigen lasse. So wandelte sich Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) quasi über Nacht vom strikten Gegner eines Verbotsverfahrens zum Befürworter. Was ihn dazu veranlaßte, ist unklar. Denn an den Fakten zur NPD, ihrer Programmatik, ihrem Personal und ihren Äußerungen hat sich seit 2003 nichts Grundlegendes geändert. Hinzu kommt, daß die NPD mit dem Einzug in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern die juristischen Hürden für ihr Verbot eher noch erhöht hat. Dies gilt insbesondere für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, vor den die NPD bei einem Verbot ziehen würde – durchaus mit guten Erfolgsaussichten.

Allen öffentlichen Bekundungen zum Trotz besteht zudem nach wie vor das Problem der V-Leute in der NPD, weswegen das erste Verbotsverfahren 2003 gescheitert war. Zwar versichern die Verfassungsschutzbehörden, alle V-Leute aus den Führungspositionen der Partei abgezogen zu haben, doch gilt dies erst seit April dieses Jahres und nicht für die Jahre zuvor. Zudem beteuern die Innenminister zwar, das von ihnen zusammengestellte Material zum Beweis der Verfassungsfeindlichkeit der NPD sei frei von Quellen des Verfassungsschutzes, schriftlich bestätigen wollte dies die Mehrheit von ihnen gegenüber dem Bundesinnenminister aber nicht.

Auch das könnte ein Grund sein, warum die Bundesregierung zögert, auf den Zug nach Karlsruhe aufzuspringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es bestünden „einige rechtliche Risiken“. Die Regierung habe ihr Meinungsbild noch nicht abgeschlossen und wolle erst im kommenden Jahr eine Entscheidung treffen. Deutlich wurde Bundestagspräsident Norbert Lammert. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung prangerte er das Vorhaben als „nicht durchdacht“ an. Das Ganze sei ein Reflex auf die mutmaßlich von der Zwickauer Terrorzelle begangenen Morde. „Man soll es besser bleibenlassen“, riet Lammert.

Ähnlich äußerte sich der frühere Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch. Das Verfahren werde nicht durch nüchterne Überlegung bestimmt, sondern durch emotionale Übersteigerung, kritisierte er im Focus. Falls das Bundesverfassungsgericht die NPD tatsächlich verbiete, sei es seiner Ansicht nach wahrscheinlich, daß Straßburg das Urteil wieder kassiere.

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