© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Für Aiwanger. Gegen Aiwanger
Richtungsstreit: Die Auseinandersetzung des Parteichefs mit den Freien Wählern in Frankfurt am Main spielt dessen Kritikern in die Karten
Henning Hoffgaard

Hubert Aiwanger steht vor großen Herausforderungen. Der Bundesvorsitzende der Freien Wähler will sich in diesen Tagen vor allem um den Wahlkampf in Niedersachsen kümmern. Von dem erhofften Einzug in den Landtag ist die Partei dort in den jüngsten Umfragen noch weit entfernt. Zwischen ein und zwei Prozent trauen die Demoskopen ihr zu.

Und nun auch noch Wolfgang Hübner. Der ist Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler in Frankfurt am Main und fährt dort seit Jahren einen klar konservativen Kurs. Mit Kritik an Linksextremisten und verfehlter Einwanderungspolitik erreichte er bei der vergangenen Kommunalwahl knapp vier Prozent der Stimmen. Fünf Abgeordnete stellen die Freien Wähler derzeit in der Stadtverordnetenversammlung.

Für Empörung beim Bundesverband sorgt nun eine zwei Monate alte Äußerung Hübners zur „politischen Instrumentalisierung“ der mutmaßlich von der „Zwickauer Zelle“ begangenen Mordserie. Diese werde „von verschiedenen Einwanderer-Lobbyisten in unverschämter Weise genutzt, um vom Staat zusätzliche materielle und ideelle Zuwendungen zu fordern“, sagte Hübner.

Aiwanger reagierte prompt: „Hier wird der gute Name unserer Partei mißbraucht. Soweit dies möglich ist, werden wir ordnungsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Ausschluß der Urheber des ‘Zwischenrufs’ ergreifen.“ Der bayerische Landtagsabgeordnete Michael Piazolo ergänzte, die Behauptung, Ausländerorganisationen versuchten, von den „NSU-Morden“ zu profitieren, sei „unerträglich“. Nachdem Aiwanger Anfang Dezember nachlegte und Hübner laut Welt vorwarf, die Mordserie zu verharmlosen, geht der Frankfurter Fraktionschef in die Offensive. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT kündigte er an, Strafanzeige gegen Aiwanger wegen Verleumdung und übler Nachrede zu stellen. Mehrere Briefe an den Parteichef seien unbeantwortet geblieben. Dem angedrohten Parteiausschlußverfahren sieht Hübner gelassen entgegen. Er werde sich dagegen mit allen innerparteilichen und juristischen Mitteln wehren, sagte er.

Viel zu befürchten hat Hübner nicht. Zwar ist er Mitglied im Bundesverband der Freien Wähler, der trat in Frankfurt jedoch gar nicht zur Wahl an. Die Fraktion ist vielmehr aus einem eingetragenen Verein mit etwa einhundert Mitgliedern hervorgegangen, der sich unabhängig konstituiert hat. Dieser ist Teil eines Landesverbandes, der ebenfalls nicht mit Aiwangers Freien Wählern verbunden ist. „Ich werde deswegen auf keinen Fall zurücktreten“, meint Hübner. Die Fraktion im Stadtrat habe ihm das Vertrauen ausgesprochen. Um Kritik aus den Ortsverbänden aufzufangen, kündigte er für Anfang 2013 eine Mitgliederversammlung an, um den Vorstand in Frankfurt neu wählen zu lassen. Er selbst will wieder antreten. Eine Anfrage der JF an Aiwanger zu den Vorwürfen Hübners blieb bis Redaktionsschluß unbeantwortet.

Man könnte den Streit als Provinzposse abtun. Er zeigt jedoch, wie diffus und unübersichtlich die Lage innerhalb der Partei ist. Freie Wähler sind nicht gleich Freie Wähler. Viele kommunale Wählergemeinschaften mit diesem Namen wollen von Aiwangers geplantem Antritt bei der Bundestagswahl 2013 nichts wissen oder sind gar nicht Mitglied der Bundespartei. Das Problem: „Freie Wähler“ ist kein geschützter Begriff. Und so gibt es mittlerweile in fast jedem Bundesland zwei Landesverbände. Aiwanger, der zugleich Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler in Bayern ist und dort bei der vergangenen Wahl 10,2 Prozent der Stimmen erhielt, versucht seit Monaten die einzelnen Gruppen auf seinen Euro-kritischen Kurs und zum Antritt bei überregionalen Wahlen einzuschwören.

Das erzeugt zunehmend Konflikte. Anfang Februar trat der Vorstand der Parteijugend aus Protest gegen die Umwandlung zu einer bundesweiten Partei zurück und wurde durch Anhänger des Parteichefs ersetzt. Auch im Saarland mußte Aiwanger zuletzt eine Schlappe hinnehmen. Der Landesvorsitzende Bernd Richter warf ihm vor, satzungswidrig Mitglieder aufgenommen zu haben, um ihn aus dem Amt zu drängen. Die folgende Abwahl des Vorstandes wurde nach Richters Angaben vom Schiedsgericht der Freien Wähler für ungültig erklärt. Nun gibt es auch im Saarland zwei Landesverbände der Freien Wähler. Einer für Aiwanger, einer gegen ihn. Die Auseinandersetzung hinterläßt verbrannte Erde. Der angerichtete „Flurschaden“ ist nach Ansicht Richters kaum noch zu beheben.

Ähnlich äußert sich auch Hübner und spricht von einer „autoritären Kaderorganisation“, die von Aiwanger autokratisch regiert werde. Dessen Gegner sammeln sich nun im „Weimarer Kreis“, der die Partei wieder näher an den kommunalen Wählergemeinschaften ausrichten will. Sollte die Niedersachsen-Wahl keinen Erfolg bringen, geht Aiwanger schweren Zeiten entgegen.

Foto: Freie-Wähler-Bundeschef Hubert Aiwanger (r.), Wolfgang Hübner: Alle juristischen Mittel nutzen

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