© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Ein Reinfall vor Wien
Polnisch-italienische Ko-Produktion: Sobieskis Sieg filmisch verpfuscht
Christian Rudolf

Es hätte eine ganz große Erzählung werden können über den Schicksalstag Europas. Über den anderen 11. September. Den, als das Entsatzheer unter dem polnischen König Johann III. Sobieski am 11. September 1683 Stellung oberhalb des von den Osmanen belagerten Wien bezog. Tags darauf führten seine schwergerüsteten Husaren in einer Kavallerieattacke den entscheidenden Schlag gegen den übermächtig scheinenden Feind. Die Truppen unter Großwesir Kara Mustafa, dessen strategisches Ziel Rom und die Errichtung eines Kalifats Europa war, flohen Hals über Kopf. Der Sieg in der Schlacht am Kahlenberg begründete Polens Ruf als Bollwerk der Christenheit.

Die durch vier Jahrzehnte berühmte polnische Kinematographie hat noch keinen Film über die Verteidigung Wiens hervorgebracht. Also hat es der Regisseur Renzo Martinelli in einer italienisch-polnischen Ko-Produktion so gemacht, wie er eben konnte. „Ich will dabei helfen, zu verstehen, wo die Wurzeln für den 11. September 2001 zu suchen sind“, sagte Martinelli dem Corriere della Sera. Das Ergebnis ist seit Oktober auf polnischen Leinwänden zu sehen.

Die Kritiken nahmen den Streifen einhellig auseinander. Der Film sei „ekelhaft antiislamisch“, urteilte die Zeitung Dziennik, er wirke „nicht einmal mehr lächerlich, sondern ruft nur Mitleid hervor“. „Ein absolutes Kuriosum“, so die Gazeta Wyborcza, Martinelli habe die Geschichte eines Sieges von weltgeschichtlicher Bedeutung „in ein Märchen verwandelt“ und „filmisch verpfuscht“. Es gibt nicht ein einziges echtes Feuer, die Spezialeffekte und Computeranimationen hat man vor zwanzig Jahren schon besser gesehen und erzeugen zusammen mit der Musik das Gefühl eines schlechten Fantasyfilms. Gedreht wurde mit 10.000 Statisten und dreitausend Pferden. Aber den Schneidetisch scheinen sie nicht überlebt zu haben. Das Genie und die Feldherrenerfahrung König Sobieskis werden ebenso übergangen wie die diplomatische Mission des Kapuzinermönchs Marco d’Aviano, den die Phantasie des Regisseurs zu einem tolkinhaften Gandalf verzerrt, der den Sieg durch Zauberei erwirkt.

Ob und wann der Film in deutschen Kinos zu sehen sein wird, ist ungewiß. Eine entsprechende Anfrage dieser Zeitung ließ die polnische Produktionsfirma „Agresywna banda“ unbeantwortet.

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