© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Lockerungsübungen
Vision des Öko-Tourismus
Karl Heinzen

Vor wenigen Wochen sah sich die Regionalregierung der Balearen gezwungen, den spanischen Staat um 355 Millionen Euro aus dem nationalen Rettungsfonds zu bitten. Nun sollen vor Ort neue Einnahmequellen erschlossen werden, um den Haushalt zu konsolidieren. Auf diesem Gebiet verfügen die Inseln über reichhaltige Erfahrungen. Es gibt bereits eine Betten- und eine Flugsteuer, darüber hinaus werden „Kulturabgaben“ und eine City-Tax erhoben. Im kommenden Jahr kommen eine Wassersteuer für Großverbaucher wie Poolbesitzer, Golfklubs und Hotels, eine Umweltsteuer für Supermärkte und eine Steuer auf Getränkeverpackungen – 4 Cent pro Weinflasche aus Glas und 13 Cent pro Zwei-Liter-Plastikflasche – hinzu. Überdies sollen Nutzer von Mietwagen mit bis zu 9 Euro am Tag zur Kasse gebeten werden.

Alle diese Maßnahmen haben den Vorteil, daß sie nicht nur den Einheimischen eine weitere Einschränkung ihres Lebensstandards auferlegen. Da sich zu den 1,1 Millionen Dauerbewohnern der Inselgruppe Jahr für Jahr knapp zwölf Millionen Touristen gesellen, werden vor allem diese ihr Scherflein zur Gesundung der öffentlichen Finanzen beizutragen haben.

Diese Rechnung kann natürlich nur aufgehen, wenn die stärkere Belastung der Urlauber nicht zu einem Rückgang der Reisebuchungen führt, der die Einnahmesteigerungen überkompensiert. Da Pauschalreisen auf die Balearen oft zu Schnäppchenpreisen angeboten werden, dürften insbesondere die Steuern auf Getränkeverpackungen im Budget zahlreicher Touristen ins Gewicht fallen. Allerdings handelt es sich hier um eine Klientel, deren Tage gezählt sind. Eine stagnierende Wirtschaft, steigende Energiekosten und eine stetig wachsende Abgabenlast werden auch in Europas Norden die Unter- und Mittelschichten der finanziellen Möglichkeit berauben, Auslandsreisen zu unternehmen. Beliebte Urlaubsregionen sollten sich daher frühzeitig auf jene Kundenkreise ausrichten, die auch in Zukunft zahlungskräftig bleiben könnten.

Die fiskalischen Innovationen auf den Balearen zielen, ohne daß dies vielleicht beabsichtigt war, in diese Richtung. Auch Mallorca hat die Chance, sich vom Ballermann-Image primitiven Massenvergnügens zu erholen. Die Vision des Öko-Tourismus, daß nur jene reisen sollten, die dafür auch einen gewissen Preis zu zahlen bereit sind, muß keine Utopie bleiben.

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