© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Haltungsnote
Der kannte seinen Katechismus
Christian Rudolf

So spreche ich dich los von deinen Sünden“, sagt der Priester dem Schuldbeladenen im Beichtstuhl, wenn dieser Reue über seine Missetaten zeigt. Aus sicherer Quelle wissen wir, daß da mehr Freude im Himmel ist über einen Sünder, der umkehrt, als über 99 Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

Die Englein werden mit Chören und Saitenspiel jubiliert haben angesichts der Bußfertigkeit des WDR-Journalisten Alexander Nieschwitz („1LIVE“). Der war nach der „Hart aber fair“-Talksendung vom Montag vergangener Woche via Twitter gegen die Publizistin Birgit Kelle derart ausfällig geworden, daß einem die Haare zu Berge standen. Kelle war Gast in der Show und warf dort ganz einfach mal die Frage auf, ob ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare für die betroffenen Kinder wirklich das beste sei. Durch ihre Stellungnahme ließ sich Nieschwitz ad hoc zu üblen Verwünschungen hinreißen, deren Wortlaut wir hier milde mit dem Mantel der Liebe bedecken wollen.

Nachdem die Sonne schon über seinem Zorn untergegangen war, muß ihm anderntags sein Fehltritt keine Ruhe gelassen haben. In Scham und Zerknirschung ging Nieschwitz in sich, betrieb Gewissenserforschung und verfaßte sodann eine abbittende Mail an die Geschmähte. Er gestand seine Sünde ein („kaum zu überbietende Niveaulosigkeit“, „über das Ziel hinausgeschossen“), bat um „Entschuldigung“ und „Verzeihung“, sprach das Wort, auf das allein es ankommt („Ich bereue es sehr“) und bot Wiedergutmachung an – die Entschuldigung öffentlich zu machen und Frau Kelle „anschließend auf einen Kaffee einzuladen“. Er habe halt „mit ihrer Meinung nichts anfangen“ können, „da ich auch persönlich betroffen bin“. Ob die beiden schon zusammen im Café waren, ist derzeit unbekannt; die Entschuldigung aber hat Frau Kelle angenommen und den reuigen Sünder absolviert.

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