© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Das Christkind. Die Wege der geheimnisvollsten Weihnachtsgestalt sind verschlungen
Das Licht der Welt
Karlheinz Weissmann

Es ist nicht ganz klar, seit wann und ob in allen Teilen Deutschlands gleichermaßen die Rede geht, daß das Christkind (unser Bild zeigt das traditionelle Nürnberger „Christkindl“) zu Weihnachten die Geschenke bringt. Die Frage ist auch deshalb schwer zu beantworten, weil Weihnachten nur ganz allmählich zu dem Geschenkefest geworden ist, als das wir es heute kennen. Natürlich hat es seit je ein- oder wechselseitiges Schenken zwischen Menschen gegeben, um die Verbindung untereinander zu festigen.

Im Römischen Reich der heidnischen Zeit war etwa das Verteilen von Geschenken am Beginn des neuen Jahres üblich, in erster Linie an den Herrscher und die Beamten, als Zeichen des Danks der Untertanen. Nach dem Übergang zum Christentum entwickelte sich einerseits die Beschränkung auf Kinder als Empfänger, andererseits die Festsetzung neuer Daten, etwa den Dreikönigstag oder die im Süden Deutschlands lange festgehaltene Übung, den Jungen an Sankt Nikolaus, den Mädchen an Sankt Luzien etwas zu geben.

Offenbar hat die Reformation dafür gesorgt, das Schenken auf Weihnachten zu verlegen und die Heiligen durch Christus ersetzt. Luthers „Heiliger Christ“, der „hele Krist“ oder „heele Christ“ in Nord- und Mitteldeutschland, hat aber seine Verknüpfung mit der Gestalt des Heilands merkwürdig rasch verloren und dazu geführt, daß die Evangelischen ihre Wünsche an Knecht Ruprecht und später den Weihnachtsmann richteten, während die Katholiken die Vorstellung entwickelten, daß neben dem Heiligen Nikolaus auch das Christkind die Geschenke bringe. Hinter der engelsgleichen, fast puttenhaften Figur stand der zu Weihnachten immer präsente kindliche Erlöser, der in der religiösen Kunst, vor allem der Volkskunst, eine große Rolle spielte und auch im Krippenspiel von zentraler Bedeutung war.

Deren Anziehungskraft scheint groß genug gewesen zu sein, um im Lauf der Zeit auf den evangelischen Bereich auszustrahlen, wo die Kirchlichen seit dem 19. Jahrhundert späte Anstrengungen unternahmen, gegen das Übermächtigwerden des Weihnachtsmannes das Christkind (und auch den ursprünglich verpönten Nikolaus) als Gabenbringer einzusetzen. Die ökumenische Eintracht erklärt viel von der Popularität des Christkinds, die man im deutschen Sprachraum an der alten Weise „Wenn Weihnachten ist, wenn Weihnachten ist / Dann kommt zu uns der heil’ge Christ“ genauso ablesen kann wie an der Verbreitung des Gedichts von Anna Ritter „Ich hab’ das Christkind gesehen“ oder dem Erfolg der Erzählung Felix Timmermanns „Das Jesuskind in Flandern“.

In der Gestalt des Christkinds ist aber auch ein religiöser Archetypus zu sehen, der die Erneuerung und das geborene Kind verknüpft, womit die Geschenke auch einen anderen als materiellen Sinn bekommen: „Welt ging verloren, Christ war geboren.“

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