© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Weihnachtsgeschenk aus Schwerin
Altersvorsorge: Ertragskrise bei Kapitallebens- und Rentenversicherungen / Skandalgesetz vorerst gestoppt
Stefan Bode / Jörg Fischer

Der Weihnachtsmann kam diesmal zehn Tage früher – zumindest für Besitzer von Kapitallebensversicherungen (KLV). Der Bundesrat stoppte vor der Weihnachtspause bereits vom Bundestag beschlossene Änderungen des Versicherungsaufsichts- und Versicherungsvertragsgesetzes (VAG/VVG), die einseitig zu Lasten von langjährigen Versicherungsnehmern gehen. „Wir haben – gemeinsam mit dem Land Brandenburg – auf der Bundesratssitzung am 14. Dezember dazu die Anrufung des Vermittlungsausschusses gefordert“, erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Verbraucherminister Till Backhaus.

Die als Anhang des Sepa-Begleitgesetzes zum Euro-Zahlungsverkehr am Abend des 8. November von ein paar Bundestagsabgeordneten durchgewunkenen Änderungen (JF 48/12) führen dazu, „daß die Auszahlungen bei langjährigen Lebensversicherungskunden im nachhinein um fünf bis zehn Prozent reduziert werden, das betrifft auch Riester-Versicherungen“, so der Schweriner SPD-Politiker. Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, hatte hingegen argumentiert, man wolle sicherstellen, daß die Bewertungsreserven „bei sinkenden Kapitalmarktzinsen im Unternehmen verbleiben können“, also nicht ausgezahlt werden müssen.

Die Misere war absehbar, denn seit Jahren kämpfen die Versicherer mit sinkenden Erträgen aus ihren Geldanlagen. Dies liegt hauptsächlich daran, daß sie von Gesetz her angehalten sind, in mündelsichere Anlagen zu investieren. Das sind unter anderem Staatsanleihen. Dadurch kann die öffentliche Hand ihre Verschuldung bequem über Privatrenten und KLV finanzieren. Als Gegenleistung bekam die Branche Steuervorteile und staatliche Zulagen (Riester/Rürup) als magisches Verkaufswerkzeug an die Hand. Gepaart mit steuerfreien und hohen möglichen Ablaufergebnissen, konnte dem Lockruf der Versicherungsindustrie kaum jemand widerstehen.

Konnten zehnjährige Bundesanleihen einst eine Verzinsung von über acht Prozent erzielen, hat diese sich auf 1,5 Prozent verschlechtert – unterhalb der offiziellen Inflationsrate. Selbst dreißigjährige Anleihen rentieren derzeit bei maximal 2,5 Prozent. Was für den Finanzminister ein Segen, ist für die Versicherungssparer ein Graus. Viele Anbieter haben Verträge verkauft, die ihren Kunden – nach Abzug der Verwaltungskosten – zwischen drei und vier Prozent Zins garantieren. Doch alte hochverzinste Anleihen laufen nun aus, Neuanlagen können nur noch zu Niedrigzinsen getätigt werden. Der Finanzjournalist Michael Grandt warnte bereits vor drei Jahren vor dem „Crash der Lebensversicherungen“ (Kopp Verlag 2009) – die Branche rief Panikmache. Und bislang konnte das vor allem der Finanz- und Euro-Krise geschuldete Dilemma durch ständige Reduzierung der nichtgarantierten Leistungen aufgefangen werden (JF 47/12). Waren im Jahr 2000 Überschüsse zwischen sechs und acht Prozent üblich, sind es nun im Branchenschnitt weniger als vier Prozent – mit fallender Tendenz.

Für einen KLV-Inhaber, der seit 1999 jeden Monat 200 D-Mark (102,26 Euro) für 30 Jahre anspart, wurden damals etwa 196.600 D-Mark (100.500 Euro) Ablaufleistung prognostiziert. 2011 waren diese auf 66.600 Euro zusammengeschmolzen. Um weitere Reduzierungen rechtlich abzusichern, beriefen sich erste Gesellschaften 2012 auf die Verordnung zur Änderung der Deckungsrückstellungsverordnung vom 1. März 2011. Hier bilden die Versicherer für „Hochzinsverträge“ eine Zinszusatzreserve. Das wiederum heißt, daß Überschüsse und Bewertungsreserven nicht mehr für den Kunden direkt, sondern zur Sicherung des ohnehin mageren Garantiezinses verwendet werden. Für den 30-Jahres-Vertrag bedeutet dies eine Reduzierung der Ablaufleistung um 8.400 auf 58.200 Euro. Damit nähert sich der Vertrag seiner Garantiesumme von 52.500 Euro an.

Mit dem Nacht-und-Nebel-Gesetz vom 8. November (Bundestagsdrucksache 17/11395) wäre zum 21. Dezember unter anderem der Paragraph 56a/b VAG geändert worden, der mit dem Paragraph 156 VVG die Überschußbeteiligungen regelt. Das ist zumindest vor der Niedersachsen-Wahl erst einmal abgewendet, ob das Weihnachtsgeschenk aber länger als China-Spielzeug hält? Die Euro-Krise bleibt, die Europäische Zentralbank wird angehalten, die Geldmenge auszuweiten und die Zinsen niedrig zu halten – zum Nutzen verschuldeter Banken und Staaten, zum Schaden der Sparer. Der daraus geborenen Not der Lebensversicherer wird sich auch der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat letztlich nicht verschließen – Stichwort „alternativlos“.

Spätestens nach der Bundestagswahl wird auch der Bundesgerichtshof (BGH) zur Lachnummer deklassiert werden, denn die weiter anvisierte Gesetzesänderung unterläuft ein gefälltes BGH-Urteil von 2005. Für den erwähnten KLV-Beispielvertrag bedeutet das eine weitere Reduzierung des Ablaufergebnisses um schätzungsweise zehn Prozent. Die volkswirtschaftliche Umverteilung, die sich allein aus einer solchen Gesetzesänderung ergäbe, liegt im mittleren zweistelligen Milliardenbereich – zugunsten der Eigenkapitalbasis der Versicherungsunternehmen. Den durchhaltewilligen KLV-Sparern bleibt nur noch zu hoffen, daß wenigstens die Zinsgarantie für das eingezahlte Kapital (natürlich abzüglich der Vertragskosten) erfüllt wird.

Sollte sich die Finanz- und Euro-Krise weiter zuspitzen, ist sogar eine Auszahlungsverringerung unterhalb der Garantie möglich – rechtlich abgesichert durch Paragraph 89 VAG. Danach kann die Aufsichtsbehörde BaFin ,,die Verpflichtungen eines Lebensversicherungsunternehmens aus seinen Versicherungen dem Vermögensstand entsprechend herabsetzen“, bei Weiterzahlung der Beiträge. Daran will der Bundesrat nichts ändern. Dem Sparer bleibt daher wohl nichts anders übrig, als sein Geld in real existierende Sachwerte anzulegen, um sich vor zukünftigen Abspeckrunden zu schützen.

 

Stefan Bode ist Finanzfachwirt (FH) und Spezialist für Kapitalanlagen in Hannover.

www.fondslounge.de

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