© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Der Druck im Kessel steigt
Wohin die Reise gehen wird – eine politische Vorschau der JUNGEN FREIHEIT auf das Wahljahr 2013
Michael Paulwitz

An Wahlterminen wird kein Mangel sein im nun begonnenen Jahr 2013. Die Deutschen werden Wahlen haben, aber keine echte Wahl. In Niedersachsen, Bayern und im Bund geht es um die Feinheiten der Machtarithmetik in einem geschlossenen System. Gestritten wird um Umwege und Abkürzungen, aber nicht um den Kurs: Auch bei Schaffnerwechsel wird der Zug weiter mit Volldampf aufs Abstellgleis rasen.

Wieviel Geld die schwarz-gelben Heizer noch verbrennen werden, um den Euro-Offenbarungseid irgendwie auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl im September hinauszuschieben, dürfte schon eine der spannenderen Fragen dieses noch jungen Jahres werden. Nicht daß es eine Opposition gäbe, die sie daran zu hindern versuchte: Über das grundsätzliche Ziel, die Euro-Krise als willkommene Gelegenheit zu nutzen, um Deutschlands Staatlichkeit als souveräne Nation in einem europäischen Superstaat verdampfen zu lassen, ist man sich bei Schwarzrotgelbgrün ja einig.

Hauptkritikpunkt der sogenannten Opposition an der Koalition ist, daß es nicht schnell genug gehe mit der Vergemeinschaftung des deutschen Volksvermögens im Dienste einer europäischen Schulden- und Umverteilungspolitik. Solange die meinungsbestimmenden Massenmedien in einem Akt freiwilliger Selbstgleichschaltung dabeibleiben, keine an die Wurzel gehende Kritik an Euro und EU-Integration zu üben, kann die Kanzlerin sich dank dieser Simulation von Vielfalt sogar noch als besonnene Lenkerin profilieren und Umfrage-Höchstwerte einsammeln, ohne daß die politische Klasse fürchten muß, neue Konkurrenten könnten ihr geschlossenes Parteiensystem aufmischen.

Doch selbst wenn man sich kollektiv in dem Glauben wiegt, Strom komme unbegrenzt aus der Steckdose und Geld von der Europäischen Zentralbank, ohne daß man sich darum kümmern müßte, wie es entsteht, wird irgendwann die Rechnung fällig. Der Held von der traurigen Gestalt des Jahres 2013 wird daher wieder der deutsche Steuerzahler werden. Im abgelaufenen Jahr hat er Rekordsummen an den Fiskus überwiesen, ohne sich je ernsthaft über seine immer dreistere Ausplünderung zu beschweren.

Daran dürfte sich auch 2013 nichts ändern: Wer sich so widerstandslos das Fell über die Ohren ziehen läßt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er wie ein Fußabstreifer behandelt und verhöhnt wird. Mit „Entlastungen“ im Nanobereich, die 2013 in Kraft treten, glaubt man die zum Zahlesel für Reiche und Transferempfänger gleichermaßen degradierte Mittelschicht pünktlich zum Wahljahr wieder einfangen zu können. Ein paar Euro für den höheren Grundfreibetrag, Wegfall der Praxisgebühr und ein wenig Nachlaß beim Rentenbeitrag – Inflation, kalte Steuerprogression und die ab 1. Januar geltende Rundfunksteuer für alle haben das rasch wieder aufgefressen.

Verglichen mit den Kosten für die riskanten Großexperimente – Euro-„Rettung“, „Energiewende“ und Multikulturalisierung –, die die politische Klasse derzeit gleichzeitig an ihren Untertanen als Versuchskaninchen ausführt, sind das freilich Petitessen. Längst zahlen die Deutschen über Kaufkraftverluste und nach unten manipulierte Guthabenzinsen schon jetzt tagtäglich für die Folgen des Euro-Wahns. Die direkten Lasten für den Bundeshaushalt werden im neuen Jahr weiter steigen; überfällige Milderungen der Abgabenlast werden auch deshalb einmütig als absurde Schnapsidee abgetan.

Die ideologisch motivierte und planlos eingeleitete „Energiewende“ führt zu schlechterer Versorgung, zu höheren Preisen und eröffnet eine unbeherrschbare neue Dauerbaustelle nach der anderen. Opposition dagegen gibt es im politischen System genausowenig wie gegen die herrschende Einwanderungs- und Integrationspolitik, die der schrumpfenden produktiven Mittelschicht wachsende Umverteilungslasten abverlangt, um eingewanderte Unterschichten samt einer ausufernden Sozialindustrie mitzuernähren und reale Konfliktlagen mit Geld und Sozialkosmetik zuzukleistern.

Kann das auf Dauer gutgehen? Oder übernehmen sich die Herrschenden, weil sie mit zu vielen Bällen spielen und dadurch die Wahrscheinlichkeit steigt, daß einer zu Boden fällt? Wer Jahr für Jahr aufs neue mit dem „großen Kladderadatsch“ rechnet, wird vermutlich lange warten. Beharrungskräfte und Flexibilität der gut aufeinander eingespielten politisch-medialen Klasse sind beträchtlich, und solange sich das Konsumkarussell auf Pump weiterdreht, werden auch die Lastesel stillhalten.

Dennoch steigt der Druck im Kessel, sind die Risse im System unübersehbar. Die Ruhe trügt: In Krisenzeiten, in denen die Regierungs-chefin des stärksten Euro-Landes zugeben muß, „auf Sicht“ zu fahren – das heißt, ohne Plan und Staatsräson auf jede neue Situation spontan reagierend –, können sich die Ereignisse schneller als gedacht beschleunigen. Deutschland ist inzwischen in so vielfältigen Haftungsverbindungen an die Euro-Krisenstaaten gekettet, durch direkte Kreditbürgschaften, durch indirekte Risiken in den Zentralbanksalden und durch die Mithaftung in der „Bankenunion“ für marode ausländische Kreditinstitute, daß die Euro-Krise jederzeit in einem nicht mehr zu vertuschenden Ausmaß auf die deutschen Staatsfinanzen durchschlagen und eine Staatskrise auslösen kann.

Die prästabilisierte Harmonie von Parteienstaat und Medienmacht kann schneller als gedacht ins Wanken kommen und Räume für neue politische Konstellationen öffnen. 2013 jährt sich übrigens auch der Beginn der deutschen Freiheitskriege zum zweihundertsten Male. Eigentlich ein schöner symbolischer Zeitpunkt, um dem oft schon ungehört verhallten Ruf „Bürger auf die Barrikaden!“ endlich einmal Taten folgen zu lassen.

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