© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Mißtrauen gegen die eigene Truppe
Nach NSU-Aktenpannen: Ein junger Verfassungsschützer aus Brandenburg krempelt den sächsischen Geheimdienst um
Paul Leonhard

Kann ein Geheimdienst transparent sein? Einer, der diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet, ist Gordian Meyer-Plath. Der 44jährige fungiert seit über vier Monaten als Sachsens oberster Verfassungsschützer. Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat sich den studierten Historiker aus Brandenburg ausgeliehen, weil er niemanden „aus der eigenen Truppe“ mehr an der Behördenspitze haben wollte. Zuvor war der bisherige Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos nach einer Aktenpanne bei den Ermittlungen zu der dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugeschriebenen Mordserie zurückgetreten.

Während im Auftrag der Staatsregierung eine Expertenkommission unter Leitung von Ex-Generalbundesanwältin Monika Harms dabei ist, Arbeitsabläufe und Strukturen beim sächsischen Geheimdienst zu prüfen, wollte Ulbig für eine Übergangsphase einem jungen, dynamischen, unverdächtigen Mann „die verantwortungsvolle Führung des Verfassungsschutzes übergeben“. Meyer-Plath schien ihm der Richtige. Der gebürtige Karlsruher arbeitet seit 1994 im Innenministerium in Potsdam. Er war vom Referenten für Rechtsextremismus zum Leiter des Referats „Auswertung und Beschaffung politischer Extremismus“ aufgestiegen und gilt als potentieller Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes. Ein Überflieger also, über dessen hektische Aktivitäten die rund 180 sächsischen Verfassungsschützer intern schmunzeln dürften.

Als „brillantem Analytiker“, so Ulbig über Meyer-Plath, war diesem klar, daß das Dresdner Landesamt eines „Mentalitätswechsels“ bedarf. Er habe „den Eindruck, daß sich dieses Amt ziemlich eingebunkert“ habe, verriet Meyer-Plath MDR.info: „Ich würde gern neue Leute einstellen.“ Vor allem Historiker und Sozialwissenschaftler wünscht er sich. Diese sollen rechtsextremistische Strukturen nicht nur beschreiben, sondern auch analysieren und Gefährdungsszenarien herausarbeiten, weil sich Extremisten „in den wenigsten Fällen öffentlich zu ihrer Zielsetzung bekennen“. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Beobachtung und Bekämpfung des Rechtsextremismus.

Meyer-Plath schwebt vor, den Verfassungsschutz zu einem „Nachrichten-Dienstleister“ umzubauen. Hauptaufgabe soll das Auswerten öffentlicher Quellen sein. Mit Hilfe der daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen Polizei und Kommunalpolitiker vor extremistischen Bestrebungen in ihren Gemeinden gewarnt werden. Gerade das aber alarmiert viele Bürger. Nach einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Ideen Meyer-Plaths erinnern Leser daran, daß in Deutschland „nationalkonservative und nationalliberale, oder auch nur Menschen mit konservativer Einstellung, die in anderen Ländern ganz normaler Teil des politischen Spektrums sind, begrifflich mit Nazis in eine Ecke gestellt“ werden. „Man muß sich das mal vorstellen: Da rennt einer rum, der ist vom Staat. Der guckt, was die Leute machen und schwärzt sie bei den Kommunalpolitikern an. Und dabei geht es anscheinend nicht um Dinge, die etwa strafrechtlich verboten sind.“, schreibt ein Leser.

Der sächsische Verfassungsschutzbericht soll künftig nach Potsdamer Vorbild vor allem aus Prognosen und Thesen bestehen, sagt Meyer-Plath. Da der kommissarische Behördenleiter der Meinung ist, Geheimdienstler müßten proaktiv werden, hat er sich persönlich an die Öffentlichkeitsfront begeben.

Der Erfolg ist mäßig, denn auf Veranstaltungen des Verfassungsschutzes gehen zumeist Personen, die glänzend auf die Thematik vorbereitet sind, nicht überzeugt werden wollen, sondern den Geheimdienst einfach für überflüssig halten. So endete eine Podiumsdiskussion aus Anlaß der Verfassungsschutzausstellung „In guter Verfassung“ in Leipzig mit einem Eklat. Der Verfassungsschutz sei eine „Demokratieverhinderungsbehörde“, schimpfte eine Linkspartei-Stadträtin. Es wurde betont, daß die Arbeit der Behörde von politischer Einflußnahme gekennzeichnet sei. Es gebe zuwenig objektivierbare Maßstäbe beim Beobachten möglicher demokratiefeindlicher Erscheinungen. Die anwesenden „Antifaschisten“ sorgten schließlich dafür, daß Meyer-Plath das Mikrofon entzogen wurde.

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