© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Schicksalsjahr einer Partei
FDP: Für die Liberalen geht es 2013 um die Existenz
Christian Schreiber

Wenige Wochen vor der Eröffnung des Superwahljahres 2013 ausgerechnet im Heimatland Niedersachsen des Parteivorsitzenden Philipp Rösler macht sich in der FDP Ratlosigkeit breit. Vier von fünf der großen Meinungsforschungsinstitute sind sich einig: Stand jetzt, schafft es die Partei, die 2009 noch fast 15 Prozent einfuhr, nicht mehr in den Bundestag. Einzig Forsa machte kurz vor Weihnachten ein wenig Hoffnung und sah die FDP genau bei fünf Prozent.

Dabei bestand im vergangenen Frühjahr Anlaß zur Hoffnung, als Christian Lindner und Wolfgang Kubicki die FDP in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in die Landesparlamente führten. Doch diese Erfolge bewirkten keinen bundesweiten Umschwung. Dennoch gilt Lindner vielen Mitgliedern als letzte Hoffnung, und manch einer wünscht sich gar ein Scheitern in Niedersachsen. Dann – so das Kalkül – könnte Lindner im Frühjahr den Vorsitz übernehmen und retten, was noch zu retten ist. Die Zeit drängt, denn die Schar der Getreuen wird kleiner und kleiner.

Seit dem Wahlsieg 2009 haben rund 10.000 Mitglieder die Partei verlassen, in besonders krisengeschüttelten Verbänden wie in Brandenburg oder im Saarland liegen ganze Orts- und Kreisverbände brach. Wirtschaftsminister Rösler klammert sich bis zuletzt an die Koalition mit der Union. Wohl in der Hoffnung, Kanzlerin Angela Merkel werde ihm im kommenden Herbst mittels
Leihstimmen zum erneuten Einzug in den Bundestag verhelfen und der Partei damit das politische Überleben sichern. Doch die gewiefte CDU-Chefin beobachtet mit Argwohn das Treiben bei den Liberalen.

In einer FDP-Vorstandssitzung warnte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor Vorfestlegungen auf die CDU. Die Liberalen müßten erst klären, mit wem es die meisten Gemeinsamkeiten gibt. Und der Vorsitzende der Parteijugend Junge Liberale, Lasse Becker, setzte noch einen drauf: „CDU und SPD entfernen sich beide von der FDP. Wir müssen die Koalitionsfrage mindestens so lange offen halten, bis alle Wahlprogramme vorliegen.“ Führende Liberale üben sich daher als Rechenkünstler. Bestenfalls gelinge der FDP ein knapper Einzug in den Bundestag. Daher sei ein neuerliches Bündnis mit der CDU unwahrscheinlich. Mit einer Option Richtung SPD und Grüne könne man zudem zur Piratenpartei abgewanderte Wähler zurückgewinnen.

Vor allem Kubicki läuft derzeit mit dem Dolch im Gewande umher: Sollte die SPD eine Koalition mit der CDU verweigern, gäbe es „nur die Alternative der Ampel“, sagte er in Anspielung auf die Aussage des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der eine Koalition mit der Union ausschloß. Da die Sozialdemokraten auch nicht mit der Linken wollen, bliebe die Ampel als tatsächliche Kanzleroption Steinbrücks. Doch dieses Bündnis dürfte derzeit an den FDP-Frontmännern scheitern. Außenminister Guido Westerwelle ist als sozialdemokratisches Feindbild Nummer eins kaum für eine Zusammenarbeit mit Rot-Grün geeignet. Kürzlich wurde er von den NRW-Liberalen als Spitzenkandidat gekürt. Auch Rösler hat derzeit ein Ausscheren für nicht wünschenswert erklärt, dabei aber vergessen, daß sich Fraktionschef Rainer Brüderle alle Optionen offenhält. Er bemühte sich unlängst, ein Signal der Geschlossenheit zu senden. Rösler sei mit einem überragenden Ergebnis zum Parteichef gewählt worden, sagte er der Bild-Zeitung. „Er ist unsere Nummer eins, und wir stehen hinter ihm.“ Personaldebatten seien „überflüssig wie Kamele im Wattenmeer“.

Rösler selbst spielt auf Zeit. Die Debatte schadet der Partei und allen, die diese Debatte führen“, sagte Rösler dem Handelsblatt. Die Diskussion darüber sei eindeutig verfrüht. „Unser Parteitag entscheidet das im kommenden Mai.“ Doch die Bilanz des Niedersachsen ist verheerend. In der Euro-Krise hat er die Chance zur Profilierung der FDP ebenso verpaßt wie in Sachen Energiewende. Kein Wunder, daß sich die klassische liberale Klientel von ihm abwendet.

Eine Umfrage des Allensbach-Instituts brachte alarmierende Zahlen zum Vorschein. Insgesamt ändere sich zwar die Grundhaltung zur FDP wieder, Parteichef Philipp Rösler haben die Chefs aus Politik und Wirtschaft hingegen abgeschrieben. 51 Prozent der Entscheider halten den
nordrhein-westfälischen FDP-Chef Christian Lindner für den erfolgversprechendsten Spitzenkandidaten. Auf FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle setzen 33 Prozent, auf Rösler nur vier Prozent. „Tiefer geht es ja eigentlich nicht mehr“, kommentierte Allensbach-Chefin Renate Köcher die Zahlen gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Und da derzeit mehr als die Hälfte der Deutschen nicht mehr an einen Bundestagseinzug der FDP glauben, bliebe als letzte Option nur noch ein Austausch des Führungspersonals. Die perfekte Gelegenheit böte dazu ein Scheitern an der Fünfprozenthürde bei der Landtagswahl in Nieder-sachsen: „Einige in der Partei warten darauf“, zitiert der Spiegel einen ungenannten FDP-Vorständler.

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