© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Überall Stolpersteine
Schwarz-Gelb: Der schwierige Weg der Koalition zur Bundestagswahl im September
Paul Rosen

Für die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel gibt es 2013 nur ein Ziel: irgendwie den September und damit die Bundestagswahl zu erreichen. Stolpersteine liegen auf dem Weg genug. Der erste ist die Niedersachsen-Wahl im Januar. Fällt dort Schwarz-Gelb, sieht sich Merkel einer erdrückenden Oppositionsmehrheit im Bundesrat gegenüber. Und sie müßte sich vermutlich einen neuen Vizekanzler suchen. Die parteiinternen Gegner von FDP-Chef Philipp Rösler warten nur darauf, daß die Liberalen in Hannover scheitern.

Passiert das alles nicht, wird die Lage für Merkel kaum einfacher. Wirtschaftsminister Rösler hat den Bezug zur Marktwirtschaft verloren, da sein Haus inzwischen planwirtschaftlich in die Energiebranche eingreift. Alle in der Regierung hoffen nur noch, daß vor der Bundestagswahl nicht in einer Region die Lichter für längere Zeit ausgehen. Sollte dies doch passieren, muß mit schnellen Verstaatlichungen in der Kraftwerkswirtschaft gerechnet werden.

Dem Durchwursteln in der Energiepolitik gleicht das Verhalten beim Euro. Merkels Glück besteht darin, daß die großen Oppositionsparteien ihr zuspielen. Nur so konnte es passieren, daß die tatsächlichen Kosten der jüngsten Griechenland-Hilfsmaßnahmen im Bundestag keine Rolle spielten. Obwohl Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Einbrüche auf der Einnahmenseite durchaus zugegeben hatte, forderte die Opposition nicht einmal eine „Aktuelle Stunde“ im Bundestag dazu, sondern es gab eine allgemeine Regierungserklärung zur Bankenunion, wo in der Öffentlichkeit nur die Forderung eine Rolle spielt, die deutschen kleinen Banken wie Sparkassen und Genossenschaften dürften nicht unter europäische Aufsicht kommen. Die Frage der Haftung für die aufgetürmten Bankschulden wird ausgeblendet.

In der Europapolitik wird es die von Frankreich und den Südländern gewünschten Fortschritte geben, weil die Opposition (bis auf die Linkspartei) keine unbequemen Fragen stellt und die Regierung keine Angst haben muß, als Verschleuderer von Volksvermögen bloßgestellt zu werden. Merkels Problem besteht aber darin, daß es immer mehr Abgeordnete in Union und FDP gibt, die ihrem Euro-Kurs nicht mehr folgen wollen. Sie braucht daher den Gleichschritt und Gleichklang mit SPD und Grünen.

Der Umgang mit der Opposition wird jedoch zunehmend schwieriger. Überrascht mußte die CDU/CSU-Führung feststellen, daß fast alle Gesetze mit steuerlichem Bezug im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat von Rot-Grün zu Fall gebracht wurden. Das heißt: Auf steuerpolitischem Gebiet, wo ohne den Bundesrat fast nichts geht, ist die Regierung schon jetzt nicht mehr handlungsfähig. Zur Erinnerung: Als die CDU 2005 die Wahl in
Nordrhein-Westfalen gewann und damit im Bundesrat eine Blockade durch die Bürgerlichen zu drohen schien, suchte der damalige Kanzler Gerhard Schröder sein Heil in Neuwahlen, die Merkel die erste Kanzlerschaft einbrachten.

Auch in der Steuerpolitik lauern Gefahren: Rot-Grün packte in der letzten Sitzung des Vermittlungsausschusses vor Weihnachten die Ausdehnung des Ehegattensplittings auf Homosexuelle in das Jahressteuergesetz und brachte die CDU damit in die Zwickmühle, im Falle der Zustimmung im Bundestag ihren eigenen ablehnenden Parteitagsbeschluß zu ignorieren. Dabei wollte sich die Union am liebsten hinter einem erwarteten Verfassungsgerichtsurteil zum Splitting für Homosexuelle verstecken. Man rechnete damit, daß die Richter die Gleichstellung Homosexueller einfordern würden und hätte dann das Gesetz ändern können. Der Parteitagsbeschluß wäre wegen Änderung der Geschäftsgrundlage obsolet gewesen. Jetzt muß die Koalition Farbe bekennen und wird bei der Abstimmung über das Jahressteuergesetz vor einer Sollbruchstelle stehen. Viele homosexuelle CDU-Abgeordnete würden nur zu gerne dem Vermittlungsausschußergebnis zustimmen, die FDP sowieso. Vermutlich tun sie es nur aus Koalitionsräson nicht. Denn sonst hätte die Opposition eine Abstimmung gewonnen, was ein Grund für Neuwahlen sein könnte.

Diese Sollbruchstellen werden zahlreicher in der Koalition. Das liegt auch am Überlebenskampf der FDP (siehe rechts). Die Spannungen in der Union sind jedoch ungleich größer. Auch wenn einige Politiker von der „modernen Großstadtpartei“ schwärmen, ist der genuine Wahlkreisabgeordnete von CDU und CSU im Regelfall wenigstens zum Teil konservativ geprägt und steht unter dem Druck seiner ebenfalls konservativen Basis, wagt aber nicht, gegenüber der Pateiführung den Mund aufzumachen. Nicht jeder hat den Mut eines Wolfgang Bosbach oder eines Klaus-Peter Willsch. Das Fraktionsfußvolk will eigentlich kein drittes Griechenland-Paket und kein Ehegattensplitting für Schwule und Lesben. Hier droht Merkel mehr Gefahr als von ihrem SPD-Widersacher Peer Steinbrück. Der ist kein ernstzunehmender Gegner für sie, sondern vielmehr ein idealer Vizekanzlerkandidat in einer großen Koalition. Denn nur diese Option würde die Blockade im Bundesrat lösen können.

Foto: Bundeskanzlerin Angela Merkel: Immer mehr Abgeordnete wollen ihrem Euro-Kurs nicht mehr folgen

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