© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

„Essen, schlafen, Geld verdienen“
Staatsfinanzierung: Der Bundesfinanzminister überläßt ab diesem Jahr die Privatanleger den Banken / Zusatzgeschäfte zu Lasten konservativer Sparer
Paul Leonhard

Ich schätze die einfachen Dinge im Leben. Essen, schlafen, Geld verdienen“, sagte Günter Schild auf großformatigen Anzeigen. Die Werbeschildkröte sollte Anleger für Bundesanleihen begeistern, auch mit Sprüchen wie „Mit Geld ist es wie mit Salat. Wenn ich es in Ruhe wachsen lasse, bringt es mir am meisten.“ Dank Euro-Krise und Finanzmarktlobby sind beide seit diesem Jahr ein Fall fürs Deutsche Historische Museum. Das Bundesfinanzministerium hat das Privatkundengeschäft mit Bundeswertpapieren abgeschafft.

„Das dürfte Ihren Geschmack treffen: Bundesschatzbriefe garantieren steigende Renten. Bei absoluter Sicherheit“, warb die bundeseigene Finanzagentur GmbH noch im Dezember auf ihrer Internetseite. Eher beiläufig wurde die Wahrheit mitgeteilt, daß Bundesschatzbriefe künftig nicht gebührenfrei direkt bei der Finanzagentur zu erwerben seien. Lediglich die bisherigen Bundesschatzbriefbestände würden bis zur Fälligkeit weiter kostenlos fortgeführt.

Verdruckst verabschiedet sich der Bund von einem Erfolgsmodell. Seit 1969 betrieb die Bundesschuldenverwaltung zum Leidwesen der Banken ein Privatkundengeschäft. „Die Bundesschatzbriefe sollten ein Gegenmodell zum Volkseigentum der früheren DDR werden“, sagt Wilhelm Hankel, der Erfinder dieser besonderen Wertpapiere. Sie seien gedacht gewesen als Türöffner für einen „Kapitalmarkt der kleinen Leute“, so der damalige Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium.

Der Vorteil gegenüber dem Bankkauf lag in der kostenlosen Depotführung und den höheren Zinsen. „Sichere Rendite, jährlicher Zinszuwachs, bei Typ B: Zinseszinseffekt, vielfältige Produktpalette, höchste Sicherheit, kostenlose Verwahrung“, pries die Agentur noch Ende 2012 die „Vorteile auf einen Blick“. Ab einer Anlage von 52 Euro konnten „Bundesschätzchen“ erworben werden. Wachsende Zinsen und hohe Sicherheit lockten vor allem konservative Anleger. Voriges Jahr verwaltete die Agentur noch 335.000 Konten mit 8,5 Milliarden Euro. Der Ärger für Privatanleger hatte 2011 begonnen, als unter Verweis auf das Geldwäschegesetz nachträglich ein Identitätsnachweis verlangt wurde. Die Kosten mußten die Anleger selbst tragen.

Hunderte protestierten erfolglos beim Bundesdatenschutzbeauftragten, andere kündigten ihre Depots. Zu gering waren auch die Zinsen, die der Bund bot. Für viele Kleinanleger lagen diese unter dem finanziellen Aufwand für den Gang zum Einwohnermeldeamt, zum Notar oder zum Pfarramt. Das Postident-Verfahren hatte die Finanzagentur nicht angeboten. Im Sommer 2012 wurde dann das endgültige Aus angekündigt (JF 29/12). In einem dreiseitigen Schreiben teilte die Finanzagentur ihren Kunden mit, daß sich das Geschäft mit ihnen schlichtweg nicht mehr lohne. Das Interesse der Privatkunden an den speziell auf sie zugeschnittenen Produkten habe sich in den vergangenen Jahren massiv verringert. In der aktuellen Niedrigzinsphase betrage der Anteil der Privatkundengeschäfte jährlich weniger als ein Prozent der gesamten Bruttokreditaufnahme des Bundes. Daß das vor allem an der Euro-Politik liegt, wurde nicht erwähnt.

Statt dessen beklagte die Geschäftsführung der Bundesfinanzagentur den Aufwand, den der Bund im Bereich des Vertriebs und der Verwaltung zu leisten hat: „Aus diesem Grund hat die Kreditaufnahme des Bundes über Privatkundenprodukte in den vergangenen Jahren, insbesondere in den Jahren 2010 und 2011, zu erheblichen Verlusten geführt.“ Man erinnert sich, mit ähnlicher Begründung hatten auch die deutschen Großbanken Kleinkunden zu Sparkassen und Genossenschaftsbanken getrieben, um dann nach der Finanzkrise 2008 mühsam das Kleinkundengeschäft wiederaufzubauen.

Nach Auffassung des Finanzministeriums sei das „Privatkundengeschäft unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht wirtschaftlich“. Seit diesem Jahr gibt es nun keine neuen Serien von Bundesschatzbiefen und Ausgaben von Finanzierungsschätzen mehr. Der Vertrieb von Bundesobligationen und der Tagesanleihe über die Finanzagentur wird eingestellt, bestehende Einzelschuldkonten lediglich bis zur Fälligkeit fortgeführt.

Zwar können Privatanleger weiterhin in Wertpapiere des Bundes, Bundesschatzanweisungen, Bundesobligationen und Bundesanleihen investieren, sie müssen sich dazu aber an Banken und Sparkassen wenden. Bei denen klingelt dann die Kasse, denn dort muß für Erwerb und Verwahrung gezahlt werden. Auch die Riester/Rürup-Rentenverträge basieren zu einem gut Teil auf Bundespapieren (JF 51/12). Dort gehen sogar oft über zehn Prozent für „Kosten“ drauf – sprich an die Versicherungsindustrie.

Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur: deutsche-finanzagentur.de

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