© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Pionier der Psychologie: Der vergessene Wilhelm Wundt
Seele ohne Transzendenz
(wm)

In den 1880er Jahren stieg Leipzig zu einem Weltzentrum der Psychologie auf. Diese magnetische Wirkung auf Gelehrte und Studenten, die es aus Europa und Übersee an die Pleiße zog, verdankte die sächsische Universität dem Badener Wilhelm Wundt (1832–1920), der, von der Sinnesphysiologie ausgehend, die Grundlagen der experimentellen Psychologie schuf. Der universal veranlagte Wundt galt zugleich als Pionier der Völkerpsychologie, als führender Wissenschaftstheoretiker, Neuropsychologe und Kulturphilosoph. Doch trotz einer großen, viele Lehrstühle besetzenden Schülerschaft bröckelte Wundts Ruhm schon vor 1914. Seit 1945 gehört er zu den Vergessenen der Fachgeschichte. Zu Unrecht, wie der Freiburger Psychologe Jochen Fahrenberg glaubt (Psychologische Rundschau, 4/4012). Denn Wundts Theorien seien nicht veraltet, sondern bewegten sich auf einem zu hohen Anspruchsniveau, das sich als Rezeptionshindernis erwies. Auch stelle sich der mangelnde Transzendenzbezug seines areligiösen Seelenbegriffes quer zum jeweiligen psychologischen Zeitgeist. Hätte doch selbst heute noch eine Mehrheit von 563 befragten Psychologiestudenten die Unterstellung einer geistigen Existenz nach dem Tode bejaht und religiös fundierte Weltanschauungen akzeptiert.

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