© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Das stählerne Arbeitspferd
Der Panzer IV steht im Schatten der größeren Tiger oder Panther. Zu Unrecht, findet Ralf Raths vom Panzermuseum im niedersächsischen Munster
Paul Leonhard

Der Sehschlitz hinter dem Schutzschild ist klein. Und das auf seinen Gleisketten immer schneller heranrollende Ungetüm ist groß. Ein deutscher Panzer IV fährt schnurstracks auf die kleine russische Abwehrkanone zu. Doch etwas stimmt nicht. Es ist der Tarnanstrich des Tanks. Der ist khakifarben und am Bug prangt eine Palme mit dem Hakenkreuz. Rommels Afrikakorps hat aber nie gegen die Sowjets gekämpft. Und als der Panzer kurz vor dem Geschütz stoppt, lugt ein Mann in Bundeswehruniform aus der Kommandantenkuppel.

Das Deutsche Panzermuseum in Munster hat sein Schmuckstück nach Dresden zum Militärhistorischen Museum der Bundeswehr transportiert: einen originalen Kampfpanzer IV. Die Technikexperten aus Munster wollen an diesem Tag eine Lanze brechen für den mit 8.523 Stück meistgebauten deutschen Panzer des Zweiten Weltkrieges.Insgesamt neun Ausführungen wurden zwischen 1937 und 1945 gefertigt, auch wenn diese sich voneinander so unterschieden wie der VW Golf I vom Golf VII, wie Ralf Raths, wissenschaftlicher Leiter des Panzermusuems, in seinem Vortrag „Technik, Einsatz, Sterben und Erinnerung – der Panzer IV“ erklärt.

Daß die Bedeutung dieses ausgereiftesten deutschen Kampfwagens heute kaum noch bekannt ist, ärgert Raths. Panther, Tiger und Königstiger sind in der Erinnerung viel präsenter. Ein später Erfolg der NS-Propaganda, die die stählernen Raubkatzen mit ihren griffigen Namen und beeindruckenden Eckdaten zu Wunderwaffen hochstilisierte. Dabei seien insbesondere die störanfälligen Tiger und Königstiger historisch gesehen irrelevant, weiß Raths. Selbst die Panzerschlacht am Kursker Bogen wurde vor allem von kampfwertgesteigerten Panzern IV getragen, die den mit T-34 ausgerüsteten sowjetischen Verbänden schwere Verluste zufügten.

Dabei war der Einsatz des Modells IV als Kampfpanzer eigentlich eine Verlegenheitslösung. Als Unterstützungsfahrzeug sollte es mit seiner 7,5-Zentimeter-Stummelkanone gegnerische Artillerie- und Infanteriestellungen bekämpfen, während als eigentlicher Kampfwagen der Panzer III konzipiert war. Beide als Standardpanzer vorgesehene Modelle kamen allerdings sowohl für den Polen- als auch für den Frankreichfeldzug zu spät. Die deutschen Blitzkriege wurden von den kleinen Panzern I und II gewonnen, die zwar lediglich mit zwei Maschinengewehren bzw. einer 2,2-Zentimeter-Maschinenkanone bewaffnet waren, aber etwas besaßen, was der Gegner in seinen Panzern nicht hatte: Funk. War im Kampf jede alliierte Panzerbesatzung auf sich allein gestellt, agierten die deutschen auch bei geschlossenen Luken als Team im Verband.

Allerdings erlitt der Panzer IV während des Frankreichfeldzuges prozentual die höchsten Verluste. Von 278 eingesetzten Fahrzeugen wurden 97 komplett zerstört. Die Panzerung erwies sich als zu gering, die kurze Kanone zur Panzerbekämpfung als ungeeignet. Im Rußlandfeldzug erwies sich der Panzer IV den T-34 oder KW-1 der Sowjets hoffnungslos unterlegen. Dringend benötigte die Wehrmacht einen besseren Kampfpanzer, da sich der Panzer III als nicht weiter aufrüstbar erwies. Der Roten Armee war übrigens genau bekannt, mit welchem Modell sie es im militärischen Konflikt zu tun bekommen würde. Die Deutschen hatten ihrem Verbündeten nach dem Polenfeldzug einen Panzer III verkauft, der von den Sowjets ausgiebig getestet wurde und zu einer Umstellung der Panzerabwehrkanonenproduktion führte.

Als Ausweg aus der sich anbahnenden Panzerkrise wurde die Umrüstung des Panzers IV gewählt. Dessen Kurzrohr wurde durch eine Kanone mit einer Rohrlänge von 3,2 Metern ersetzt. Diese reichte aus, um einen T-34 aus einer Entfernung von tausend Metern zu zerstören. Ab März 1943 wurde die Kanone in der Ausführung H, der mit 3.774 Stück meistgebauten, noch einmal verlängert. Insgesamt sei der ab 1942 in Großserie produzierte Panzer IV so gut konstruiert gewesen, daß er in seiner Langrohr-Ausführung bis Kriegsende für alle feindlichen Panzer ein gefährlicher Gegner blieb, sagt Ralf Raths.

Laut Statistik gelten von den 8.523 gebauten Panzern IV 6250 als Totalverlust. Das sehr gut erhaltene Exemplar des Panzermuseum Munster erbeuteten im September 1942 die britischen Truppen in fabrikneuem Zustand, als es von der Vomag im sächsischen Plauen ins libysche Tobruk für das Afrikakorps ausgeliefert wurde.

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