© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Aufregung im Sparmodus
Marcus Schmidt

Wenn die Bundestagsabgeordneten in der kommenden Woche zur ersten Sitzungswoche im neuen Jahr aus ihren Wahlkreisen nach Berlin zurückkehren, werden sie, sofern sie nicht mit der Bahn anreisen, auf dem Flughafen Tegel landen. Daß sich daran in absehbarer Zeit auch nichts ändern wird, steht seit dem Wochenende fest.

Die von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verkündete abermalige Verschiebung der Eröffnung des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg ist im bundespolitischen Berlin dennoch auf bemerkenswert wenig Resonanz gestoßen. Das dürfte nicht alleine daran liegen, daß das Regierungsviertel noch im nachweihnachtlichen Sparmodus läuft. Zum einen haben viele das neuerliche Desaster längst erwartet, zum anderen ist man einfach nur fassungslos über das Flughafenchaos. Schon lange gilt Berlin als die am schlechtesten regierte Hauptstadt der großen EU-Staaten. Daran hat sich auch seit der Regierungsbeteiligung der Berliner CDU unter Innensenator Frank Henkel wenig geändert.

Zwischen Reichstag und Kanzleramt wird daher derzeit einigermaßen entspannt beobachtet, wie Wowereit, der immerhin einmal als möglicher Kanzlerkandidat der SPD gehandelt wurde, seinem politischen Ende entgegentaumelt. Der von Wowereit am Montag verkündete Rücktritt als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft dürfte nur für kurzfristige Entlastung sorgen. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, der das Amt von seinem Parteifreund übernimmt, kann sich jedenfalls auf ungemütliche Zeiten einstellen.

Denn mittlerweile kommen immer weitere Details über den katastrophalen Zustand auf der Flughafenbaustelle ans Licht. Die Probleme seien heftig, sehr heftig, sagte Technikchef Horst Amann der Nachrichtenagentur Reuters. „Und zwar so gravierend, fast grauenhaft, daß die Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben, notwendig waren.“ Eine Entscheidung über einen neuen rEröffnungstermin stellte Amann erst für den Sommer in Aussicht. In Berlin wird mittlerweile angezweifelt, ob ein Termin vor dem Jahr 2015 überhaupt realistisch ist.

Trotzdem könnte es Wowereit gelingen, die Krise auszusitzen. Denn derzeit ist in Berlin niemand in Sicht, der ihn politisch beerben könnte. Weder in der eigenen Partei noch in der Opposition oder der CDU. Deren Landeschef Frank Henkel kann sich zwar darüber freuen, daß die Berliner Union in den Umfragen derzeit vor der SPD liegt, doch Neuwahlen wird der Innensenator kaum erzwingen.

Mit Genugtuung dürfte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die aktuelle Entwicklung beobachten. Ramsauer hatte in den vergangenen Monaten immer wieder vor allem Flughafenchef Rainer Schwarz scharf kritisiert und dessen Ablösung gefordert. Nun scheint Schwarz in den Sog der neuerlichen Verschiebung des Eröffnungstermins geraten zu sein. Auf der nächsten Aufsichtsratssitzung Mitte kommender Woche wird seine Ablösung erwartet.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen