© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

„Vermisse den Rückhalt“
Interview: Gewerkschafter Rainer Wendt kritisiert Politiker
Hinrich Rohbohm

Herr Wendt, warum kommt es in steigendem Maße zu Gewaltübergriffen auf Polizisten?

Wendt: Die Gründe dafür sind vielschichtig. Nicht nur Polizisten, sondern auch Bedienstete der Feuerwehren, der Justiz oder Rettungskräfte sehen sich zunehmender Gewalt ausgesetzt. Der Respekt gegenüber der Autorität des Staates hat insgesamt nachgelassen. Das ist auch eine Folge der antiautoritäten Erziehungsbewegung.

Wurden von der Politik ausreichend Gegenmaßnahmen eingeleitet?

Wendt: Zunächst einmal sehen wir es als positiv an, daß die Bundesregierung den Straftatbestand „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ im Jahr 2011 verschärft hat. Das Strafhöchstmaß ist von zwei auf drei Jahre angehoben worden. Als Deutsche Polizeigewerkschaft hatten wir allerdings fünf Jahre gefordert. Leider zieht die Mehrheit der Richter in ihren Urteilen noch nicht nach. Oftmals fallen Urteile immer noch viel zu milde aus.

Hätte die Bundesregierung dem nicht entgegenwirken können, indem sie neben einer Änderung der Höchst- auch eine Mindestfreiheitsstrafe gesetzlich verankert hätte?

Wendt: Das ist rechtlich problematisch und würde auch unsere Richter überfordern. Lediglich die Gefängnisse zu füllen, bringt uns da nicht weiter. Manche Täter gelangen durch einen Knastaufenthalt sogar erst ganz auf die schiefe Bahn. Da halte ich es ausnahmsweise mit dem SPD-Justizminister von Nordrhein-Westfalen, der fordert, bei Strafen kreativer zu werden. Maßnahmen wie beispielsweise der Führerscheinentzug wären sinnvoller.

Wie ist die Stimmung unter Ihren Kollegen angesichts zunehmender Polizistenfeindlichkeit? Fühlen sie sich von der Politik alleingelassen?

Wendt: Einerseits sehen wir, daß gehandelt wird. Neben der Anhebung des Strafmaßes beim Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wurden etwa die Schutzausrüstungen für Polizeibeamte verbessert. Wenn aber andererseits eine Claudia Roth zum Beispiel beim Castor-Transport aktiv mithilft, Nachschubwege der Polizei zu blockieren, dann ist dies auch eine Teilnahme an Gewaltaktionen durch Politiker. Vor allem in Berlin vermissen wir den politischen Rückhalt. Hier gibt es inzwischen zehn Angriffe auf Polizisten pro Tag. Gleichzeitig wird die Berliner Polizei im Vergleich zu allen anderen Bundesländern am schlechtesten bezahlt. Die Gehälter und Pensionen werden trotz dieser beunruhigenden Zahlen gekürzt und Personal weiter abgebaut.

 

Rainer Wendt, geboren 1956, ist Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. www.dpolg.de

 

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