© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Dennoch die Schwerter halten
Von Freund zu Freund: Der Publizist und Carl-Schmitt-Experte Günter Maschke wird siebzig
Alain de Benoist

Vom 29. Oktober bis 4. November waren Günter Maschke und ich zusammen im brasilianischen Uberlândia. In dieser alten Universitätsstadt im Bundesstaat Minas Gerais, deren Namen die meisten Europäer noch nie gehört haben, obwohl sie fast eine Million Einwohner zählt, nahmen wir beide an einer internationalen Großtagung teil, die sich unter dem Titel „Carl Schmitt entre direito e filosofia“ („Carl Schmitt zwischen Recht und Philosophie“) ausschließlich mit den Gedanken und Werken des Staatsrechtlers Carl Schmitt auseinandersetzte.

Die einzelnen Veranstaltungen fanden über vier Tage in den Räumlichkeiten der juristischen Fakultät der Universität von Uberlândia statt. Neben zahlreichen brasilianischen Wissenschaftlern wie Roberto Bueno, Ronaldo Porto Macedo jr., Bernardo Ferreira und Cláudia Drucker zählten zu den Teilnehmern auch Alexandre Franco de Sá und António Bento (Portugal), Jerónimo Molina und Germán Gómez Orfanel (Spanien), Hugo Herrera (Chile), Joseph Bendersky (USA) und andere. Als Ergebnis der Tagung wurde eine internationale Gesellschaft für Schmitt-Studien gegründet, ein weiterer Beweis für das Interesse, das Carl Schmitt heute in vielen lateinamerikanischen Ländern entgegengebracht wird.

So interessant die Beiträge auch waren, dürften sie für Günter Maschke (dessen Vortrag die Tagung eröffnet hatte) wenig Neues geboten haben, ist sein Wissen über Carl Schmitt doch vermutlich größer als das aller anderen Teilnehmer zusammen! In jedem Fall war es mir eine große Freude, ihn in diesem fernen Land wiederzutreffen und uns über alle Themen auszutauschen, die uns beiden am Herzen liegen. Maschke ist nur elf Monate älter als ich, und schon seit Ewigkeiten verbindet uns eine Freundschaft.

Unsere Gespräche sind um so erquicklicher, als Günter mehrere Sprachen spricht, allerdings mit der Besonderheit, daß er häufig mehrere Sprachen auf einmal spricht! So beginnt er einen Satz auf französisch, setzt ihn auf spanisch fort und beendet ihn auf deutsch, ohne sich dessen überhaupt bewußt zu werden. Da er zudem über einen unbändigen Sinn für Humor verfügt, muß er unaufhörlich lachen, wenn er sich reden hört, was wiederum alle Umstehenden zum Lachen bringt.

Günter Maschke kam am 15. Januar 1943 in Erfurt zur Welt und wird daher kommenden Dienstag seinen 70. Geburtstag begehen. Er wuchs als Adoptivkind bei einer Familie in Trier auf, eine sehr prägende Zeit, und wurde Anfang der 1960er Jahre ganz linksaußen im politischen Spektrum aktiv – zunächst in der deutschen Friedensunion und dann im Untergrund der KPD. In Tübingen studierte er bei Ernst Bloch Philosophie und trat 1966 dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) bei. Er verließ Deutschland, um sich der Wehrpflicht zu entziehen (nicht etwa aus Pazifismus, sondern aus Protest gegen die Bundeswehr), wofür er in Abwesenheit verurteilt wurde. Zuflucht fand er in Paris und Zürich, zog dann nach Wien um, wo er die Werke der Frankfurter Schule populär machte und zu den wichtigsten Figuren in der dortigen außerparlamentarischen Opposition gehörte. Es war die Epoche der „Wiener Kommune“, und Maschke stand als eine Art „Wiener Rudi Dutschke“ gemeinsam mit Robert Schindel an vorderster Front.

Nachdem er im Oktober 1967 bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg verhaftet wurde, ging er ins kubanische Exil, wo ihm der Status eines politischen Flüchtlings verliehen wurde, und diente dort in Fidel Castros Armee. Nur zwei Jahre später wurde der stürmische junge Mann wegen „konterrevolutionärer Aktivitäten“ des Landes verwiesen. Die Begegnung mit dem „real existierenden Kommunismus“ hatte aus ihm schlicht und einfach einen Antikommunisten gemacht – ohne daß er jedoch pro-amerikanisch wurde (jüngst sprach er übrigens unverblümt von seiner Bewunderung für die kubanische Politik der nationalen Unabhängigkeit gegenüber dem nordamerikanischen Imperialismus). Letztlich mußte er in seinem Heimatland eine einjährige Haftstrafe absitzen.

Ihm verdanken wir die Übersetzung eines Gedichtbands des kubanischen Schriftstellers Heberto Padilla (1932–2000), der 1971 auf Betreiben von Hans Magnus Enzensberger unter dem Titel „Außerhalb des Spiels“ bei Suhrkamp veröffentlicht wurde.

In den folgenden Jahren war Maschke als Journalist hauptsächlich für die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig, bis er die Zusammenarbeit 1985 nach einem Streit mit Jürgen Habermas um einen Nachruf abbrach, den er auf Carl Schmitt verfaßt hatte. Aus diesem Streit heraus entstand 1987 das Buch „Der Tod des Carl Schmitt“, das unlängst in Neuauflage im Karolinger Verlag erschienen ist.

Mittlerweile hatte Maschke sich nämlich zu einem führenden Schmitt-Kenner entwickelt, den er bei mehreren Anlässen auch persönlich kennenlernte. Unter seinen zahlreichen Verdiensten um das Werk des Plettenbergers (JF 3/08) seien nur die beiden beeindruckenden Sammelbände „Staat – Großraum – Nomos“ (1995) und „Frieden oder Pazifismus?“ (2005) erwähnt, die er mit Anmerkungen, Kommentaren und einem kritischen Anhang von ungewöhnlicher Belesenheit und Sorgfalt versah.

Zuletzt veröffentlichte Maschke 2011 bei Duncker & Humblot noch eine kommentierte Ausgabe des 1934 erschienenen Schmitt-Buches „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches – Der Sieg des Bürgers über den Soldaten“ (JF 33/12).

In den neunziger Jahren lehrte Maschke an der Akademie der peruanischen Kriegsmarine in La Punta (wo er Vorlesungen über Carl Schmitt, den Spanischen Bürgerkrieg und Partisanenkriege in Lateinamerika hielt). Schon sein erstes Buch „Kritik des Guerillero“ (1973), in dem er ein Resümee seiner kubanischen Erfahrungen zieht, handelte vom Krieg, dessen Wesen und Wandlungen er detailliert untersucht hat. Er erinnert gerne daran, daß zwar Krieg darauf abzielt, Frieden zu schaffen, daß aber der Frieden durchaus auch eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln bedeuten kann („Reeducation“ zum Beispiel). Daß das Gegenteil des Krieges nicht der Pazifismus, sondern der Frieden ist. Und daß der Versuch, Feindschaft zu verbieten, zur Kriminalisierung des Feindes beiträgt. Und daß, um mit Carl Schmitt zu sprechen und den berühmten Ausspruch Proudhons zu zitieren „wer von der Menschheit spricht, betrügen will“.

Auch als Herausgeber hat Maschke sich große Verdienste erworben. Seine besondere Leidenschaft gilt dem Werk von Donoso Cortés, Joseph de Maistre und im allgemeineren Sinn dem konterrevolutionären Denken. Sein bevorzugtes Thema ist jedoch die Entwicklung (und der Niedergang) des Völkerrechts seit 1880, eine Entwicklung, die das Recht, das die Beziehungen zwischen den Staaten regelt, in ein globales außerstaatliches Recht verwandelt hat. Wer weiß, vielleicht wird sein nächstes Buch dieser Frage gelten.

Welchem Thema er sich auch widmet, Maschke stößt immer sofort zum Kern vor. Vor allem aber fällt er auf die hohlen Verlautbarungen der Rechten genausowenig herein wie auf die falschen Gewißheiten der Linken. Hinter den schönen Worten und den tagesaktuellen Informationen entdeckt er sofort das eigentlich Wichtige. Man muß nur seine 2011 unter dem Titel „Verräter schlafen nicht“ 2011 im Regin-Verlag erschienenen Interviews mit Sebastian Maaß lesen, um seine geistige Unabhängigkeit zu schätzen zu wissen. Maschke zitiert mit Vorliebe eine spanische Weisheit: „La verdad es siempre deliciosa“. Die Wahrheit ist immer köstlich.

In seinem Buch „Das bewaffnete Wort“ (Karolinger Verlag, 1997) schrieb Maschke: „Weil niemand mehr brennen will, verdunkelt sich die Welt“ – soll heißen, alles wirklich Große und Wichtige in der Geschichte erfordert ein Opfer, eine irrationale Handlung. Wenn mehr Männer und Frauen zu „brennen“ bereit wären, gäbe es im zeitgenössischen Absurdistan längst ein Licht der Hoffnung.

 

Alain de Benoist, französischer Philosoph und Publizist, ist Herausgeber der Zeitschriften „Nouvelle École“ und „Krisis“. 2007 veröffentlichte er in der Edition JF das Buch „Carl Schmitt und der Krieg“, 2009 erschien von ihm im Ares Verlag, Graz, eine internationale Bibliographie der Primär- und Sekundärliteratur Carl Schmitts.

Günter Maschke: Der Tod des Carl Schmitt. Durchgesehene und um weitere Texte vermehrte Ausgabe. Karolinger Verlag, Wien 2012, kartoniert, 224 Seiten, 22 Euro

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