© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Tapfer, deutsch, weise!
Auf Kulisse wird verzichtet: Richard Wagners „Tannhäuser“ am Mittelsächsischen Theater Freiberg
Sebastian Hennig

Nach dem mißglückten Maiaufstand von 1849 floh Hofkapellmeister Richard Wagner mit dem russischen Anarchisten Bakunin und Otto Leonhard Heubner, Mitglied der provisorischen sächsischen Regierung, zunächst nach Freiberg, wo sie in der Wohnung von Kreishauptmann Heubner Zuflucht fanden. Als dann das Freiberger Insurgenten-Nest ausgehoben wurde, war Wagner schon in Chemnitz und floh über Weimar weiter in die Schweiz.

Das Theater in Freiberg gilt als das älteste noch bespielte Stadttheater der Welt. Das letzte seiner Werke, welches Wagner in seiner Dresdner Amtszeit 1845 zur Uraufführung brachte, hat das Mittelsächsische Theater mit seinen Spielstätten in Freiberg und in Döbeln nun wirkungsvoll inszeniert. Bescheiden wird diese Inszenierung als szenisch-konzertante Aufführung offeriert. Auf Kulisse wurde verzichtet und doch gibt es selten einen so präsenten Venusberg und Ritterhalle, wie nun im Freiberger Theaterchen. Als hätte der heilige Riccardo verkündigt: Wo sich zwei Sänger in meinem Geiste verbinden, da bin ich unter euch.

Der Orchestergraben ist zur Sänger- und Spielbühne abgedeckt. Die Musik erklingt nicht aus dem mystischen Abgrund, sondern dem mystischen Hintergrund. Mit verschieden transparenten Vorhängen wird das Orchester abgeschieden oder herausgestellt. Während der Ouvertüre gibt es kein zerstreuendes Ballett. Die Aufmerksamkeit gilt der inspiriert spielenden Mittelsächsischen Philharmonie unter ihrem Generalmusikdirektor Jan Michael Horstmann.

Der in Berlin lebende amerikanische Tenor Lawrence Bakst als Tannhäuser artikuliert ohne jeden Akzent. Kammersängerin Undine Dreißig aus Magdeburg gibt eine beeindruckende Venus. Und den sehr kräftigen Sänger-Darstellern glückt zudem ein überzeugendes Bewegungstheater, wodurch jede Kulisse überflüssig gemacht wird. Der geflüsterte Kommentar der Autochthonen im Publikum zur erschütternden Stimmgewalt dieser Gastsänger lautet: „Die bläken bissel sehr.“

Aber auch die Ensemble-Mitglieder hielten mit. Lilia Milek erfüllt rein äußerlich alle Forderungen, die Wagner an eine Darstellerin der Elisabeth stellte. Der ritterlich hochfahrende Biterolf wird glaubhaft im slawischen Habitus des Sergio Raonic Lukovic. Allein Landgraf Hermann ringt zumeist vergeblich um stimmliche Fassung. Ganz erstaunlich ist Guido Kunze als Wolfram von Eschenbach. Ihm gelingt es, die volle Aufmerksamkeit auf diese subtile Figur zu lenken. Diese Aufführung zeigt einmal mehr: Die Opernkunst lebt und stirbt von den Rändern her. Regisseur dieses „Tannhäuser“ und seit kurzem Intendant des Hauses Ralf-Peter Schulze (Jahrgang 1955) hatte zuvor in Neustrelitz dieses Amt inne.

Die „Tannhäuser“-Premiere am Theater Döbeln, Theaterstraße 7, findet am 12. Januar um 19.30 Uhr statt, eine weitere Vorstellung am 20. Januar. Telefon: 0 34 31 / 71 52 65

Am Theater in Freiberg, Borngasse 1, finden die nächsten „Tannhäuser“-Vorstellungen statt am 31. Januar, 23. Februar und 26. März 2013. Telefon: 0 37 31 / 35 82 35

www.mittelsaechsisches-theater.de

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