© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Umwelt
Mahner Lorenz
Volker Kempf

Die Erinnerungskultur sucht sich ihre denkwürdigen Persönlichkeiten oft sehr selektiv aus. Konservative werden häufig totgeschwiegen. Und daß in diesem Jahr der Begründer der Tierpsychologie, Konrad Lorenz (1903–1989), 110 Jahre alt geworden wäre, wird wohl nur seine Anhänger interessieren. Dabei wäre er mit seinen Graugänsen sehr medientauglich. Damit einher ginge dann allerdings eine Trivialisierung. Läßt man Lorenz durch seine Werke sprechen, so war da vor 50 Jahren noch ein Optimist zu vernehmen. In „Das sogenannte Böse“ glaubte er noch an die menschliche Vernunft. Eine Kultur brauche Zeit zum Wachsen wie ein Wald, sie könne in einer Feuersbrunst aber rasch vernichtet werden. Lorenz hatte dabei auch die deutsche Geschichte im Sinn. Diese zeige, daß die Kultur nicht total zerstört wurde, sondern 1945 etwas nachwachsen konnte. Dies begründete Lorenz’ Optimismus.

Doch dann kam mit den 68ern für ihn die nächste Feuersbrunst: „Es ist ein Irrtum zu glauben, daß mit dem Über-Bord-Werfen einer alten Kultur ganz selbstverständlich und sofort eine neue, bessere entstehen werde.“ Weder die kulturrevolutionären noch die technokratischen Fortschrittshoffnungen teilte Lorenz. Im Gegenteil bekundete er 1973 in „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“, nur mehr der Bauer wisse noch, was die gesamte Menschheit bereits vergessen habe, „daß die Lebensgrundlagen des ganzen Planeten nicht unerschöpflich sind“. Er kam letztlich zu dem Schluß: „Die heutige Menschheit verhält sich konsequent so, als würde sie vom Teufel getrieben, dessen einziges Ziel es ist, alles Leben auf unserem Planeten zu vernichten.“ Lorenz war ein bedeutender Verhaltensforscher und ein großer Ökologe, den zu lesen auch heute noch den Blick für das Wesentliche schärft.

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