© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Aufgeschnappt
Zum Stolz verurteilt
Matthias Bäkermann

Die Trabantenstadt Köln-Chorweiler ist ein klassischer sozialer Brennpunkt. Die Betontristesse aus den siebziger Jahren ist geprägt von Armut, hohem Ausländeranteil, Verwahrlosung und Kriminalität. Seit 1985 müht sich die Stadt Köln, die Sozialstruktur zu fördern. Grünflächen, Jugendzentren und ein Freizeitbad, ja sogar eine Waldorfschule bereichern seitdem den Bezirk im Norden Kölns.

Doch auf dieser Waldorfschule scheinen die Schüler ihren Problembezirk nicht zu lieben. Fast alle reisen ohnehin von außerhalb an, da das „typische Waldorf-Profil“ bei den Hochhausbewohnern auf eine „hohe psychologische Hemmschwelle trifft“, wie Schulleiter Markus Schulze einräumt. Daß sich nun aber seine Pennäler in ihrer Abizeitung über den Bezirk lustig machen, bedauert Schulze im Kölner Stadtanzeiger als „höchst unpassend“. Als gewaltbereite Jugendliche aus Großfamilien mit „10 Kusäängs und 19 Kusinään“ und posende Mädchen in Jogginghosen – so karikierten die Schüler Anfang Dezember das szenetypische Milieu. Die grüne Bezirksbürgermeisterin Cornelie Wittsack-Junge war entsetzt, da „alle nur denkbaren Vorurteile über sozial benachteiligte Jugendliche geschürt“ würden. Nach Entschuldigung und „einem klärenden Gespräch“ bei der Grünen-Politikerin erklärten die Schüler mittlerweile, daß sie sich fortan als „ein Teil von Chorweiler verstehen“.

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