© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/13 / 18. Januar 2013

Ernst Nolte und die Globalisierung
Einheit oder Vielfalt
Herbert Ammon

Am 11. Januar beging Ernst Nolte seinen 90. Geburtstag. Der andernorts hochgeehrte, in Deutschland jedoch verfemte Geschichtsdenker wurde in der JUNGEN FREIHEIT gewürdigt, ebenso in der FAZ. Auch dort wird der akademisch-medial genährte Argwohn gegen Nolte klar abgewiesen. Anders als der Frankfurter Sozialphilosoph Jürgen Habermas, der anno 1986 den absurden „Historikerstreit“ eröffnete, war Nolte in Jugendjahren gegen die Suggestionen des Nazismus gefeit. Wenn es ihm in oft eigenwilligen Zuspitzungen darum ging, „Auschwitz verstehbar“ zu machen, so gehörte Nolte trotz seines Festhaltens am „Prius“ des Klassenmordes der Bolschewiki und dem „kausalen Nexus“ nie zu den Verharmlosern, geschweige denn Leugnern des NS-Rassenmordes. Im Gegenteil: In spezifischer Denkweise verficht Nolte die These von der „Einzigartigkeit“ der NS-Verbrechen.

Hier ist nicht der Ort, die unendliche Debatte fortzusetzen. Angemerkt sei, daß die parallel zur Aufhebung des Nationalstaats sowie zur „multikulturellen“ Transformation betriebene Fixierung auf die historische Schande der Deutschen als Volk dem vermeintlich auf Freiheit und Gleichheit aller Individuen gerichteten linksliberalen Universalismus entgegensteht.

Übersehen wird von Noltes Feinden zudem, daß auch ihm im Ausblick auf das 21. Jahrhundert eine in partikularer Vielfalt geeinte Menschheit vor Augen steht. Das „linke“ Prinzip des Universalismus und dessen „rechte“ Negation, der Partikularismus, kämen am Ende zu einer friedlichen Synthese. Das Vehikel dieser Bewegung sieht Nolte in der Globalisierung.

Nicht im Einklang mit derlei Friedensvisionen stehen anno 2013 die weltpolitischen Fakten. Partikularismen, Machtansprüche, Antagonismen bestehen fort. Siehe Nahost: Wer will, wer vermag das Konfliktknäuel aufzulösen? Amerika, die EU, Israel, die Türkei? Daß die USA Universalismus mit Eigeninteresse verknüpfen, ist historisch nichts Neues. Ob die EU durch „noch mehr Einheit“ (Schäuble, Habermas etc.) Ungleichgewichte und Interessendivergenzen ausgleichen kann, ist die eine Frage; wie sie sich als Machtgebilde im globalen Spiel behaupten würde, die andere. Über die Projektionen der kapitalistisch erstarkten Han-Chinesen dürfen wir spekulieren. Und Rußland wird sich auch fürderhin westlichen Zumutungen nicht einfach fügen.

 

Herbert Ammon lebt als Historiker und Publizist in Berlin.

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