© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/13 / 18. Januar 2013

Röslers Schicksalswahl
Niedersachsen: Während sich Schwarz-Gelb und Rot-Grün ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, kämpfen die kleinen Parteien um Aufmerksamkeit
Christian Schreiber

Die erste Wahl im neuen Jahr könnte gleich von entscheidender Bedeutung sein. In Nieder-sachsen geht es am kommenden Sonntag um nicht mehr und nicht weniger als um die politische Zukunft von FDP-Chef Philipp Rösler. Sollten die Liberalen den Wiedereinzug ins Parlament im Leineschloß verpassen, dann dürften seine Tage gezählt sein. Als Parteichef, als Minister, als stellvertretender Bundeskanzler. Sollte seiner Partei allerdings der Sprung über die Fünfprozenthürde gelingen und die FDP gar die Koalition mit der CDU unter Ministerpräsident David McAllister fortsetzen können, dann scheint auch eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition im Herbst in Berlin nicht mehr ausgeschlossen.

Ziemlich sicher ist, daß die CDU mit großem Abstand stärkste Partei wird, McAllister hat ein Ergebnis von „40 plus X“ als Ziel ausgegeben. Alleine wird es nicht reichen, seine Präferenz gilt daher einer Fortsetzung des bürgerlichen Bündnisses. Mehrere Meinungsforschungsinstitute sahen die FDP in den vergangenen Tagen genau auf der Fünfprozentmarke. Den beiden bürgerlichen Parteien ist damit eine beeindruckende Aufholjagd gelungen. Anfang 2012 trennten noch zehn Prozentpunkte beide politischen Lager. Kurz vor der Wahl am kommenden Sonntag waren es je nach Hochrechnung nur noch ein bis zwei Zähler: SPD und Grüne kamen sowohl im jüngsten ARD-Deutschlandtrend als auch im ZDF-Politbarometer auf zusammen 46, das seit 2003 regierende Bündnis von Schwarz-Gelb auf 44 bis 45 Prozent.

Herausforderer Stephan Weil muß sogar darum kämpfen, das schlechte SPD-Ergebnis (30,3 Prozent) nicht noch einmal zu unterbieten. Zugute kommt ihm lediglich, daß die Grünen stabil bei rund 15 Prozent liegen und diese eine Koalition mit der CDU mehr oder weniger ausgeschlossen haben. Aus diesem Grund buhlten die Liberalen in den vergangenen Wochen sehr deutlich um Leihstimmen aus der CDU. „Wir werden die Zweitstimmen-Kampagne noch zuspitzen“, sagte Parteichef Philipp Rösler der Nordwest-Zeitung. Unions-Sympathisanten müßten erkennen, daß es ohne die Liberalen keine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition gebe. „Ohne die FDP mit Stefan Birkner kann Ministerpräsident David McAllister nicht weiterregieren.“ Dieser machte der FDP dann auch am vergangenen Samstag bei ihrem „kleinen Parteitag“ seine Aufwartung und lobte die Zusammenarbeit in den höchsten Tönen.

Während fast alle regionalen und überregionalen Medien von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Lagern ausgingen, schaltete sich urplötzlich Linken-Ikone Sahra Wagenknecht in den Wahlkampf ein. Ihre Truppe liegt seit Monaten scheinbar aussichtslos unter der Fünfprozenthürde, allerdings taxierte eine Focus-Umfrage die Sozialisten bei sechs Prozent: „Wir werden in Hannover einziehen und wir werden an der nächsten Regierung beteiligt sein“, polterte Wagenknechts Lebensgefährte Oskar Lafontaine aus dem Saarland, der damit seinen „Lieblingsfeind“, den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück unter Druck setzte. Dieser gilt als strikter Gegner rot-rot-grüner Bündnisse, und Lafontaine legte den Finger genau in diese Wunde: „Die Mitglieder der SPD werden irgendwann fragen, ob die Führung auch regieren will. Mit uns ist das möglich.“

Diese Option dürfte es für die Piraten nicht geben. Der Aufsteiger in der Politszene hat seinen Zenit offenbar überschritten, alle Umfragen sahen die Partei weiter unterhalb der Sperrklausel: Personalknatsch und Rücktritte, programmatisches Kleinklein, keine erkennbare politische Strategie und klamme Kassen. Bundesweit geht es der Partei schlecht. Dazu kommen aber auch hausgemachte Probleme. So brauchte es drei Anläufe, bis Parteitage die Landesliste aufstellen konnten, das Spitzenpersonal blieb zudem unbekannt.

Auch für die Freien Wähler, die mit einem guten Ergebnis in Niedersachsen den Startschuß für den Einzug in den Bundestag legen wollten, verlief der Wahlkampf schwierig. Kommunal gut verankert, konnten sie mit ihrer verhaltenen Euro-Kritik nicht in die Öffentlichkeit durchdringen. Fast schon trotzig zitierte Spitzenkandidat Torsten Jung aus einer Umfrage, nach der sich immerhin 25 Prozent der Befragten vorstellen könnten, die „Freien“ zu wählen, die in Niedersachsen als eher links gelten. Ebenfalls einen schwierigen Stand hatte die Partei „Die Freiheit“ um den ehemaligen Berliner CDU-Politiker René Stadtkewitz. Die islamkritische Formation hatte es immerhin geschafft, die erforderlichen Unterschriften zusammenzubekommen. Für einen flächendeckenden Wahlkampf fehlten ihr allerdings Geld sowie öffentliche Wahrnehmung.

Über letztere konnte sich die NPD zumindest nicht beschweren. Der Verbotsantrag gegen sie schwebt wie ein Damoklesschwert über ihr und ist sicherlich nicht geeignet, bürgerliche Wählerschichten anzusprechen. Im zu Ende gehenden Wahlkampf spielten ihre Themen, wie etwa die Forderung nach einem Einwanderungsstopp, allerdings keine Rolle. Damit lag die NPD unfreiwillig im Trend. Denn trotz des Lagerwahlkampfs blieben Inhalte weitestgehend außen vor.

Foto: FDP-Wahlplakat in Niedersachsen: „Wir werden die Zweitstimmen-Kampagne noch zuspitzen“

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