© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/13 / 18. Januar 2013

Schüsseln aus dem Schwarzwald
Unternehmen: Trotz Konkurs und Krisen ist der Name des Antennenpioniers Zehnder nicht untergegangen
Taras Maygutiak

So stellt sich der Großstädter wahrscheinlich die Landschaft vor, in der sich Fuchs und Hase eine gute Nacht wünschen. Um in das 3.800-Seelen-Örtchen Tennenbronn zu gelangen, das 2006 der Stadt Schramberg im südwürttembergischen Landkreis Rottweil eingemeindet wurde, fährt man durch dünn besiedeltes Gebiet. Dort, wo es andere zum Urlaub einlädt, ist man allerdings alles andere als rückständig.

Hier ist etwa die Firma Heinrich Zehnder beheimatet, die für Antennen und Satellitentechnik bekannt ist. Empfänger (Receiver), Sat-Schüsseln oder das neue Schwerpunktprodukt, die sogenannte Set-Top-Box, die die gewachsene Programmvielfalt aus Orbit und Internet ins Heimkino bringt, sind die Verkaufsschlager. Sie gehen aus der Schwarzwald­idylle direkt an Mediamarkt, Saturn, Edeka oder Rewe.

Der Markename „Zehnder“ fußt auf dem Traditionsunternehmen, das 1927 von Heinrich Zehnder gegründet wurde und mit mechanischer Fertigung sowie Drehteilen aller Art seinen Anfang nahm und sogar die wenige Jahre später ihren Höhepunkt erreichende Weltwirtschaftskrise überstand. Zahlreiche kleinere und größere Unternehmen wurden seinerzeit in der Region gegründet. Sie waren maßgeblich am technologischen Fortschritt des vergangenen Jahrhunderts und dem Welterfolg von „Made in Germany“ beteiligt.

So stellte, ebenfalls 1927, Christian Steidinger im zwölf Kilometer entfernten St. Georgen damals den Elektro-Feder-Motor vor. Es war die Sternstunde der ursprünglich 1907 gegründeten Firma Dual, die später mit ihren Plattenspielern deutscher Marktfüher wurde. Zehnders große Zeit war das Aufkommen des Fernsehens in den fünfziger Jahren, erzählt jetzige Geschäftsführer Markus Schmid. „Zehnder war eine Zeitlang in Deutschland Marktführer bei den Zimmerantennen.“ Das reichte bis in die siebziger und achtziger Jahre hinein. Damals hatte die Firma noch eine breite Produktpalette und fertigte nahezu sämtliche Teile in Tennenbronn.

„In Glanzzeiten hatte das Unternehmen inklusive der Heimarbeiter 300 Leute beschäftigt“, sagt Schmidt. Heute sieht es beschaulicher aus. 40 Beschäftigte habe die Heinrich Zehnder GmbH heute. Gefertigt werde inzwischen überwiegend in Fernost, der Türkei und Italien, so Schmidt. Die Blütezeit zahlreicher Technologieunternehmen in der Region war aber Ende der siebziger Jahre vorbei. Dual ging beispielsweise 1982 die Luft aus. Der japanische Konkurrenzdruck war zu groß. Nur der gute Name Dual blieb erhalten. Heute werden darunter einerseits die „Made in Germany“-Analogplattenspieler der Firma Alfred Fehrenbacher, andererseits wurde jahrelang von einer anderen Firma aus Asien importierte Unterhaltungselektronik unter dem Namen Dual vermarktet.

Zehnder, der immer noch traditionsbewußt im Schwarzwald produzierte, hielt bis 1993 dem Druck der asiatischen Konkurrenz stand. Dann mußte das Familienunternehmen Konkurs anmelden, blickt Markus Schmidt zurück. Der heute 48jährige war damals gerade einmal ein Jahr in der Firma. Der 2012 verstorbene Mittelständler Anton Kathrein aus dem bayrischen Rosenheim habe bereits in den achtziger Jahren Interesse an der Firma Zehnder gehabt. Er hätte sie gerne in seinem weltweit aufgestellten Familienunternehmen aufgehen lassen, erzählt Geschäftsführer Schmidt. „Doch damals wollte Zehnder nicht. Und 1993 lehnte Kathrein dankend ab. Aber ich wußte, daß er da war.“

In den kommenden Monaten überlegte sich Schmidt, wie es weitergehen könnte. Entweder würde die Firma wie viele für immer verschwinden, oder man müßte sich der globalen Entwicklung anpassen, war die Überlegung. Er stellte sein Konzept Kathrein vor. Inhalt: „Eine Fortführung auf Handelsebene“, erklärt Schmidt. „Wir beschlossen außerdem, uns auf die Kernprodukte zu konzentrieren.“ Damals seien das Satellitentechnik, Sat-Empfangsgeräte, Schüsseln und Empfänger gewesen. Kathrein war mit dem Konzept einverstanden und beteiligte sich mit 90 Prozent – und die Rosenheimer halten noch heute.

„Vom Konkursverwalter kauften wir Namen, Schutzrechte, Markennamen und Patente heraus, Lagerbestände, Inventar und Fertigungstechnik veräußerten wir.“ Am 28. Juni 1994 kam es dann zur Neugründung der Heinrich Zehnder GmbH. Von der Familie Zehnder ist allerdings niemand mehr im Unternehmen. „Wir konzentrieren uns heute auf den deutschen Markt“, erläutert Schmidt. „Nur wenige Exporte gehen in die Schweiz und nach Italien.“

Zum Kathrein-Konzern, der ähnliche Produkte verkaufte, entstehe so keine Konkurrenz, da Zehnder den Einzelhandel und Kathrein vor allem den Großhandel und das Hochpreissegment bediene, meint der Geschäftsführer. Die Zeiten, in denen zahlreiche Technologieunternehmen aus der Region von der globalen Entwicklung überrollt wurden, ganz verschwanden oder sich wie Zehnder neu aufrappelten, sind überstanden. Zeit, sich auf irgendwelchen Erfolgen auszuruhen, gibt es in der Branche jedoch keinesfalls, betonen Markus Schmidt und sein gleichaltriger Produktmanager Corsin Kleiner.

„Im Bereich der Kommunikationselektronik ist der Preisverfall enorm“, sagt Schmidt. Habe man 2004 einen Umsatz von 13 Millionen Euro gehabt, so habe dieser zuletzt bei sechs Millionen Euro gelegen. Bei der Heinrich Zehnder GmbH hat man deswegen stets neue Technologien im Blick und stellt sich die Frage, was künftig gefragt sein wird. Bei den Produkten werde man in Zukunft verstärkt auf „IPTV und multimediale Heimvernetzung setzen“, erklärt Kleiner, wie das Geschäft erfolgreich auf Kurs gehalten werden soll: „Wir müssen bei technischen Neuerungen immer früh dabei sein“, nennt er als Maßgabe für den künftigen Erfolg.

Foto: Zehnder-Firmensitz im Schwarzwald-Örtchen Tennenbronn: Auch bekannte Namen wie Dual kapitulierten vor der asiatischen Konkurrenz

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