© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Präsidentschaftskandidat verurteilt Beneš-Dekrete
Deutliche Worte in Prag
Gernot Facius

Man faßt es nicht: 24 Jahre nach der samtenen Revolution wird in Prag wieder die nationalistische Karte gezogen. Den liberal-konservativen Präsidentschaftskandidaten Karel Fürst Schwarzenberg trifft wegen seiner Bemerkung, daß die kollektive Entrechtung und Vertreibung der Sudetendeutschen heute möglicherweise als schwere Menschenrechtsverletzung verurteilt würde und der Vertreiberpräsident Edvard Beneš (1884–1948) vor den Haager Strafgerichtshof käme, die volle Wucht des gegnerischen Lagers.

Schwarzenbergs Rivale Miloš Zeman, der mit dem Fürsten an diesem Wochenende in die Stichwahl geht, und der amtierende Präsident Václav Klaus suchen ihn prompt als Staatsfeind zu diffamieren. Für sie sind die Beneš-Dekrete „untrennbarer Teil unserer Rechtsordnung“. Schwarzenberg hingegen zweifle diese Nachkriegsordnung an. Es ist richtig: So deutliche Worte über Beneš, dem in Tschechien Denkmäler gewidmet werden, hat noch kein Prager Politiker verloren. Nicht einmal Václav Havel.

Die Wellen der Empörung, die Schwarzenberg entgegenbranden, sind ein Symptom für die geistige Befindlichkeit eines relevanten Teils der politischen Klasse: Sie hat sich vom Kollektivschulddenken keinen Millimeter entfernt. Trotz der Zugehörigkeit Tschechiens zur „Wertegemeinschaft“ EU.