© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Das mißbrauchte Recht
Asyl: Die Zahl vermeintlicher Flüchtlinge steigt, die Politik muß endlich handeln
Michael Paulwitz

Asyl ist ein Geschäft. Ein florierendes Geschäft, wie die rasant steigenden Asylbewerberzahlen nahelegen, die der Bundesinnenminister Monat für Monat und Jahr für Jahr vorlegt (siehe Seite 7) und dabei schulterzuckend die lächerlich geringen Anerkennungsquoten mitteilt. Zu viele verdienen in diesem Geschäft zu gut, als daß sie einfach damit aufhören könnten. Das meint keineswegs in erster Linie die organisierten Menschenhändler, die Glücksucher aus aller Welt für teures Geld ins gelobte Land schleppen und schleusen. Und auch nicht die Heerscharen derer, die sich als politisch oder sonstwie Verfolgte ausgeben, um auf Kosten der müden und schafsgeduldigen sozialstaatlichen Solidargemeinschaften des alten Europa besser zu leben, als es ihnen zu Hause je möglich wäre. Hauptprofiteure sind vielmehr eine gutorganisierte Asyl- und Einwanderungslobby und der ihr verbundene Zweig der Sozialindustrie, die im Asyl-Geschäft Existenzrechtfertigung und lukrative Einnahmequelle zugleich gefunden haben.

Um Schutz und Fürsorge für die Verfolgten, Erniedrigten und Beleidigten dieser Welt geht es für die professionellen Akteure im Asyl-Geschäft am wenigsten. Das humanitäre Pathos ist Werbeargument, um Gutgläubige zu mobilisieren, und Waffe, um Fakten ignorieren und jede Gegenposition schon im Ansatz moralisch diskreditieren zu können – kurz, alles aus dem Weg zu räumen, was der Erhaltung der Geschäftsgrundlage und der Ausweitung des Geschäftsmodells hinderlich ist.

Denn das Geschäft mit Asyl, Einwanderung und Integration hat ein dichtes Geflecht von Institutionen und Strukturen hervorgebracht, das einen steten Zustrom neuer „Klienten“ braucht, um bestehen und weiterwachsen zu können. Asylanwälte und Sozialpädagogen, Betreuer und Kursanbieter, Dolmetscher und Funktionäre kirchlicher, halbstaatlicher oder staatlich gesponserter „Hilfsorganisationen“ und Vereine – sie alle benötigen laufend neue Asylbewerber und Integrations-Problemfälle, um Geld und Ressourcen für ihre Tätigkeit beanspruchen zu können, und haben tendenziell wenig Interesse daran, daß sich am Status ihrer Schützlinge etwas ändert.

Um das zu erreichen, kann die Asyl- und Einwanderungslobby inzwischen nicht nur beträchtliche mediale und institutionelle Macht aufbieten, sondern sich auch auf verläßliche Schützenhilfe von Großkonzernen, Wirtschafts-Interessenverbänden und der beiden treu ergebenen EU verlassen. Sozial-industrie, Wirtschaft und Eurokratie verbindet ein gemeinsames Ziel: Die Grenzen öffnen für die globalen Wanderungsströme, damit der Nachschub an Betreuungsfällen, Konsumenten und Billigarbeitskräften nicht ausgeht.

Das in Deutschland und Europa formal restriktive Asylrecht ist aus dieser Sichtweise ein Ärgernis, das jetzt endlich beseitigt werden soll. Seit vor zwanzig Jahren unter dem Eindruck der Exzesse der frühen Neunziger der „Asylkompromiß“ zustande kam, wird es aus verschiedenen Richtungen, die sich wechselseitig munitionieren, in die Zange genommen und durchlöchert: medial-propagandistisch durch Asyllobby und Sozialindustrie, auf europäischer Ebene durch unablässige Vorstöße zur erleichterten Arbeitsaufnahme und vollen Gleichstellung von Asylbewerbern im Bezug von Sozialleistungen, die ganz im Sinne der Wirtschaftslobby aus „Flüchtlingen“ gewöhnliche Arbeitsmarkt-Einwanderer machen sollen. Dieses kombinierte Sperrfeuer wiederum bleibt nicht ohne Wirkung auf die politisch-juristische Ebene, auf der Antreiber und Mitläufer der Asyl- und Einwanderungslobby in Parlamenten, Regierungen, Verwaltungen und Gerichtssälen munter Stein um Stein aus dem ohnehin morschen Regelwerk brechen.

Da werden offene Rechtsbrüche wie „Kirchenasyl“ oder wilde Kundgebungen und Besetzungen im öffentlichen Raum tatenlos hingenommen und nachträglich legalisiert. Da werden von Landesregierungen „Wintererlasse“ herausgegeben, die nichts anderes sind als eine Einladung an südosteuropäische Zigeuner, auch ohne jeden Asylgrund auf Kosten des Steuerzahlers ein paar Monate gut versorgt im Warmen zu verbringen. Seit 2005 gibt es in allen Bundesländern „Härtefallkommissionen“, in denen Funktionäre der Sozialindustrie mit offiziellen Weihen ausgestattet geltendes Aufenthaltsrecht aushebeln dürfen. Verwaltungsgerichte verhindern rechtlich zwingend gebotene Abschiebungen in sichere Drittstaaten unter absurder Überdehnung einzelner Rechtsgrundsätze. Und selbst das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich die drastische Anhebung der Zahlungen an Asylbewerber erzwungen und damit den jüngsten Ansturm von Pseudo-Asylanten aus dem Balkanraum maßgeblich ausgelöst.

Das zerstört nicht nur den Rechtsstaat, es überfordert auch die schrumpfende Mittelschicht, die für beides bezahlen muß – für die Asyl-Lobby und für die von ihr mißbrauchten Asylbewerber. Wer dagegen aufbegehrt, muß sich von einer Einheitsfront bis hinauf zum Bundespräsidenten und seiner migrationshintergründigen Redenschreiberin moralisierend zusammenstauchen lassen. Die sachliche Debatte darüber, wie das Asylrecht auf seinen Wesenskern zurückgeführt werden kann, den Schutz der nur wenige Prozent aller Asylbewerber ausmachenden tatsächlich Verfolgten nämlich, kann man mit solcher Repression dennoch nicht auf Dauer unterbinden. Dazu ist der Widerspruch zwischen der vorgestanzten offiziellen Phraseologie und der Lebenswirklichkeit der Bürger zu offensichtlich.