© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Grüße aus Madrid
Apokalypse des Niveaus
Michael Ludwig

Daß wir Deutsche wegen unserer scheinbar so unnachgiebigen Haltung in der Eurokrise von anderen Völkern nicht sonderlich geschätzt werden, ist bekannt. Jedem von uns sind die Bilder aufgebrachter griechischer Demonstranten, die uns als Nazis bezeichnen, noch in lebhafter Erinnerung. In Lissabon trug eine Menschenmenge Plakate vor sich her, auf denen Bundeskanzlerin Merkel abgebildet war, wie sie gerade mit einem Hackebeil die Kehle eines zarten Lämmchens namens Portugal durchschnitt.

Geschmackloser, so dachten wir, geht es nicht mehr, doch wir hatten die Rechnung ohne einen spanischen Publizisten gemacht, der es schaffte, das ohnehin schon am Boden liegende Niveau nochmals zu unterbieten.

Der Mann heißt Vicente Verdú und ist auf der Iberischen Halbinsel kein Unbekannter. Der an der Pariser Eliteuniversität Sorbonne promovierte Sozialwissenschaftler leitete das Meinungs- und Kulturressort von El Pais, der wichtigsten Tageszeitung des Landes, schreibt für sie noch immer Kolumnen und ist Mitglied der „Nieman Foundation for Journalism“ der amerikanischen Harvard-Universität.

Die Liste seiner veröffentlichten Bücher ist lang. Man könnte meinen, daß der heute 70jährige intellektuell gediegene und verantwortungsvolle Prosa zu Papier bringt. Doch weit gefehlt.

In seinem neuesten Buch „Apocalipsis now“ vergleicht er die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise mit den biblischen Prophezeiungen des Johannes und kommt zu dem Schluß, daß Europa wirklich Schlimmes bevorstehe. Schuld daran seien unter anderem auch die Deutschen, besonders unsere Regierungschefin. Verdú schreibt, die Krise habe es geschafft, bis in das Innerste der spanischen Seele vorzudringen, was dazu geführt habe, daß die Menschen nun „vor der obersten Dame Merkel, die seit 2005 ihre Macht im zweiten deutschen Kaiserreich ausübt“, niederknien müßten.

In seinem Blog auf „El Boome-ran(g)“ wird Vicente Verdú noch deutlicher. Unter dem Titel „El triste color de la crisis“ (Die traurige Farbe der Krise) meint er: „Ist Angela Merkel der flammende Antichrist? Ist Deutschland etwa die Schlange, die ihren Atem vom historischen Drachen schöpft, und steht es an der Spitze eines neuen, alle Rassen umfassenden Holocaust?“ Dazu fällt einem wirklich nichts mehr ein.

www.elboomeran.com