© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Mit dem Koran gegen die Fremdenlegion
Mali: Trotz Verlusten wollen die Islamisten ihren Kampf gegen „ausländische Aggressoren“ fortführen / Großbritannien erwägt Einsatz
Marc Zöllner

Nach der blutigen Befreiung eines Ölfeldes nahe der algerischen Stadt Ain Amenas steigt die Anzahl der Todesopfer weiter. Dutzende schwer bewaffnete Islamisten drangen Mitte Januar in das Gelände der Gasförderanlage ein, nahmen mehrere hundert Arbeiter als Geiseln und planten deren Verschleppung in die Wüste des Nachbarlandes Mali. Ihre Zielsetzung, die Regierung Frankreichs zur Beendigung ihrer Militäroffensive im Norden Malis zu bewegen, erfüllte sich letztlich lediglich aufgrund eines sabotierten Reisebusses nicht.

Vier Tage lang befand sich Ain Amenas anschließend im Belagerungszustand. Die Islamisten lieferten sich erbitterte Gefechte mit anwesenden Sicherheitskräften und töteten mehrere ausländische Geiseln. Erst eine Erstürmung der Anlage durch algerisches Militär konnte dem makabren Schauspiel ein Ende setzen.

Die Bilanz: 37 ermordete Ausländer, 29 getötete Rebellen. Doch anders als zu Beginn spekuliert, stammten die Entführer nicht alle aus Algerien. Eine Untersuchung der Leichen förderte ein Sammelsurium an Biographien und Nationalitäten zutage.

Neben Islamisten der Salafistengruppe für Predigt und Kampf (GSPC), einer noch radikaleren Abspaltung der radikalen algerischen Untergrundbewegung Groupe Islamique Armé (GIA), fand man Schmuggler aus dem Azawad, den drei nach Unabhängigkeit strebenden nördlichen Provinzen des Mali, aufständische Tuareg sowie Söldner aus Mauretanien, Ägypten und Tunesien. Die Koordination, so erste Erkenntnisse, leitete eine Zelle mit Sitz in Kanada.

Zwar mag die Geiselnahme von Ain Amenas ein Rückschlag für die islamistischen Gruppen der westlichen Sahara gewesen sein. Mit Ain Amenas bewies die in Nordmali mittlerweile fest verankerte Ansar-Dine-Bewegung jedoch einmal mehr ihre hervorragende logistische wie personelle Vernetzung in der Region.

Man habe „einen strategischen Standort, der von 800 Soldaten bewacht wurde, mit nur 40 Mann einnehmen können“, so auch Hacen Ould Khalil, der Sprecher der an der Aktion beteiligten Islamisten. Die Aktion sei „zu 90 Prozent erfolgreich“ gewesen.

Auch der seit Sommer 2012 schwelende Konflikt mit den moderaten Tuareg-Rebellen der Volksfront zur Befreiung des Azawad (MNLA) scheint mittlerweile beigelegt. Angesichts der militärischen Intervention Frankreichs sowie der westafrikanischen Ecowas-Staatengemeinschaft kündigte diese vergangenes Wochenende an, ihren „bewaffneten Kampf gegen die ausländischen Aggressoren“ wieder aufnehmen zu wollen. Die MNLA, welche nach Selbstauskunft ihres Sprechers Attaye Ag Mohamed noch immer zehntausend Kämpfern führt, verkündete im April 2012 die Souveränität des Azawad von Mali, wurde später jedoch von der radikalislamischen Ansar Dine aus ihren Hochburgen Gao, Kidal und Timbuktu vertrieben.

Unterdessen befindet sich Frankreich offenbar weiter auf dem Vormarsch. Anfang dieser Woche erklärte ein Militärsprecher, man habe nach großangelegten Boden- und Luftoffensiven die an der Grenze zum aufständischen Norden liegenden strategisch wichtigen Städte Diabali und Konna zurückerobern können. Neben französischen waren auch afrikanische Truppen bei diesen Offensiven im Einsatz. Parallel dazu versetzte Großbritannien seine Armee in Alarmbereitschaft, um die in Südmali stationierten 2.150 französischen Elitesoldaten auf Anfrage des Elysée in weiteren Kampfeinsätzen unterstützen zu können.

Foto: Islamistische Rekrutenausbildung in Mali: Junge Glaubenskämpfer präsentieren stolz ihre Koranstudien