© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Den Nerv getroffen
Im Kreuzfeuer der Antifa: Der Südtiroler Rockband Frei.Wild nutzen ihre Distanzierungen wenig
Martin Lichtmesz

Nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit dürfte es ein Phänomen wie die Südtiroler Deutschrock-Band Frei.Wild eigentlich gar nicht geben. Da wäre etwa der Frontmann Philipp Burger, der einen besonders dicken Karrierekiller in seinem Lebenslauf zu verzeichnen hat: nämlich eine „rechte“ Vergangenheit, einerseits als ehemaliger Sänger der Skinhead-Combo „Kaiserjäger“, andererseits als Mitglied der „Freiheitlichen“, der kleinen Schwester der FPÖ in Südtirol.

Von beiden hat er sich lange losgesagt, dafür singt er heute weiterhin Texte, bei denen manchem bundesdeutsch sozialisierten Hörer die Schnappatmung befällt. Besonders berüchtigt ist etwa der Song „Wahre Werte“, mit einem Durchschnittswert von vier bis fünf Reizwörtern pro Zeile: „Da, wo wir leben, da wo wir stehen, ist unser Erbe, liegt unser Segen, Heimat hat Volk, Tradition und Sprache.“

Allen Verächtern der „Heimatliebe“, in einem anderen Song auch schlicht als „Vollidioten“ bezeichnet, werden gehörig die Leviten gelesen: „Wo soll das hinführen, wie weit mit uns gehen? Selbst ein Baum ohne Wurzeln kann nicht bestehen! Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen? Wenn ihr euch ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen! Du kannst dich nicht drücken, auf dein Land zu schauen. Denn deine Kinder werden später drauf bauen!“

Frei.Wild, 2001 in Brixen in Südtirol von Philipp Burger (Gesang, Gitarre) und Jonas Notdurfter (Gitarre) ins Leben gerufen, nehmen also kein Blatt vor den Mund, aber das eigentliche Wunder ist, daß eben diese Band deutschlandweit Konzertsäle füllt, eine Goldene Schallplatte nach der anderen einheimst und in der obersten Liga der Charts mitspielt. Die auf dem Internetkanal Youtube veröffentlichten offiziellen Videoclips verzeichnen bis zu knapp sechs Millionen Zugriffe und eine Flut enthusiastischer Kommentare.

Dabei ist der Großteil der Songs von Frei.Wild keineswegs explizit politisch: Titel wie „Feinde deiner Feinde“, „Mach dich auf“ oder „Unendliches Leben“ zelebrieren Freiheit und Rebellentum, „Freundschaft in die Ewigkeit, durch Feuer, Dreck und Scherben“, aufrechten Gang und Treue zu sich selbst, überhaupt all den Heroismus, den ein Mann verdammt nochmal braucht, um dieses knochenharte Leben zu meistern. Die Band schmückt sich mit Hirschgeweihen, Frakturschrift und Rockeremblemen; markige Tätowierungen, schwarze T-Shirts und Lederjacken sind obligat.

Das Pathos und die Sentimentalität der Lieder kommen ohne doppelten Boden aus; fern sind die selbstironischen Überspitzungen des weltweit erfolgreichsten Teutonen-Exports Rammstein, die neben der erdigen Bauchmusik von Frei.Wild geradezu intellektuell wirken. Damit treten die Südtiroler erfolgreich das Erbe ihres Vorbilds Böhse Onkelz („Gehaßt, verdammt, vergöttert“) an, die sich ebenfalls ihren Weg aus den Niederungen der Skinhead-Subkultur in den Mainstream erkämpfen mußten.

Und wie bei den Onkelz nützen auch Frei.Wild alle Distanzierungen und aller beteuerter Sinneswandel wenig: Angeführt von dem pseudonymen Antifa-Journalisten Thomas Kuban, feuert die Linke aus allen Rohren, um die unliebsame Band kleinzukriegen. Kein Medienbericht kommt ohne das Beiwörtchen „umstritten“ aus, zwielichtige „Rechtsextremismusexperten“ und „Politikwissenschaftler“ haben alle Hände voll zu tun, um der Gruppe „völkischen Nationalismus“ und ähnliches zu bescheinigen, während der entsprechende Wikipedia-Artikel gleich im ersten Absatz das Allerwichtigste hervorhebt: „In den Medien wurde wiederholt eine Nähe zu rechtspopulistischen Motiven thematisiert. Die Band selbst distanziert sich von Extremismus jeglicher Art.“ Die Zeit verunglimpfte sie als „neue Reichskapelle“ und ihre Musik als „dumpfen Patriotenrock“.

Nicht anders als Rammstein und die Böhsen Onkelz sind auch Frei.Wild teilweise unter dem Sperrfeuer eingeknickt und haben den Herren der linken Lufthoheit ihren Tribut gezahlt: so etwa mit „Frei.Wild gegen Rassismus und Extremismus“-Plakaten und der Aufforderung an das Publikum, im Chor „Nazis raus!“ zu skandieren. Das im Oktober 2012 veröffentlichte Video „Klare Worte“ eines sich peinlich windenden Philipp Burger ist stellenweise erbärmlich mit anzusehen: Demnach habe sich die Band nicht nur stets gegen „einen Nationalsozialismus“, sondern auch „gegen jegliche rechte Gesinnung“ ausgesprochen.

Letzteres ist natürlich angesichts der Texte der Band so unaufrichtig wie unglaubwürdig, vor allem aber eine Kapitulation vor der linken Taktik, die politische Rechte insgesamt in den braunen Topf zu stecken. An dieser Absicht lassen die im Netz abrufbaren Text-Exegesen der einschlägigen Berufsdenunzianten keinen Zweifel, für die Begriffe wie „Heimat“ und „Volk“ per se schon „rassistischer“ Schmutz sind.

Diese Anprangerungsartikel sind zum Teil von entlarvender Niedertracht: etwa, wenn ausgerechnet ein Thomas Kuban der Band „Haß auf Andersdenkende“ unterstellt oder ein Autor des Störungsmelder-Blogs betreffs der Geschichte der Südtiroler von „angeblichen italienischen Besatzern“ spricht, und damit lustigerweise die Partei der italienischen Faschisten und Nationalisten ergreift. Frei.Wild befinden sich hier also auf einem altbekannten Minenfeld, auf dem die Kräfte ungleich verteilt sind, und wie alle Künstler, die vom Showbiz und damit vom öffentlichen Zuspruch leben, sind sie zu einem gewissen Opportunismus gezwungen.

Nur wenige bleiben so konsequent wie Josef Klumb (Von Thronstahl), der 1999 aus der aufstrebenden Neue-Deutsche-Härte-Band „Weissglut“ flog, weil er den Lippendienst an den Politkorrekten verweigerte. In dieser Lage wird jede erzwungene „Distanzierung“ zum Teil eines trüben Machtspiels, so ehrlich sie subjektiv auch gemeint sein mag: denn was mit angelegter Pistole an der Brust geäußert wird, hat nicht die Würde und den Wert des freien Wortes.

Immerhin haben Frei.Wild den immensen Publikumszuspruch als gewichtigen Stein im Brett. Ihre Musik scheint in Deutschland einen entscheidenden Nerv getroffen zu haben: Sie spricht von der ungebrochenen Sehnsucht nach „wahren Werten“, die man sich nicht länger von ressentimentgeladenen Hetzern miesmachen lassen will.

Konzerte: In der Bundesrepubklik sind die nächsten Auftritte von Frei.Wild für den Sommer geplant, so am 6. Juni auf dem Pfeffelbach Open Air (POA) in Rheinland-Pfalz und vom 22. bis 25. August auf dem Ehrlich & Laut Open Air im hessischen Alsfeld.

www.frei-wild.net