© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Öde, lebensfeindliche Flächen
Der Naturschutz steht als eindeutiger Verlierer der Energiewende schon fest / Erneuerbare-Energien-Gesetz ermöglicht lukratives Zusatzgeschäft
Eckhard Peters

Die Stimmen, die vor den ökologischen Folgekosten der Energiewende warnen, werden lauter. Auch deshalb, weil sich die negativen Auswirkungen für Natur und Landschaft bereits in der Anfangsphase dieser noch jungen nationalen Kraftanstrengung mit überraschender Deutlichkeit zeigen. So glaubt Wolfgang Riedel, emeritierter Rostocker Geograph und Experte für Landschaftsplanung, für das nördliche Schleswig-Holstein bereits heute von einer „Katastrophe für den Naturschutz“ sprechen zu dürfen (Naturschutz und Landschaftsplanung, 1/13). Bei genauem Hinsehen bemerke man einen „völligen Landschaftswandel“, aus einer historisch gewachsenen Kulturlandschaft werde eine „Energielandschaft“ gemacht.

Fruchtfolgen seien in manchen Regionen kaum aufzufinden, Grünland ist selten, stattdessen bestimme die Monokultur Mais das Bild, das durch Biogasanlagen und Agrarfabriken ähnelnde Höfe abgerundet werde. Hinzu kämen Photovoltaikflächen und „Windenergieanlagen zu Tausenden in der Höhe von Kathedralen“. Unaufhaltsam expandiere die Anbaufläche für Mais. Bei knapp einer Million Hektar Agrarfläche Nordelbiens werde 2012 auf 188.000 Hektar Mais angebaut, der wiederum zur Hälfte in die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) besonders lukrative Agrogas-Produktion fließe.

Mit etwa 600 Biogasanlagen weise das Land zwischen den Meeren derzeit die höchste Anlagendichte in Deutschland auf. Biomassenutzer sind nach Sonnenstrom- und vor Windkraftbetreibern die zweitgrößten EEG-Profiteure. Um dafür den nötigen Nachschub liefern zu können, expandieren schleswig-holsteinische Landwirte nach Dänemark, wo sie in Nordschleswig (Sønderjylland) auf etwa 18.000 Hektar Mais anbauen lassen.

Rasant nimmt in diesen „Agro-Energielandschaften“ nördlich der Eider die biologische Vielfalt ab, ebenso die Qualität der Böden und des Trinkwassers. Das Netz der Wallhecken (Knicks) befinde sich vielfach in „desaströser“ Verfassung. Maisfelder glichen oft Entsorgungsflächen für Gülle und Gärreste, die in den meisten Monaten des Jahres als „öde, lebensfeindliche Flächen“ dalägen.

Nur der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, bescheinige ihnen noch einen „guten ökologischen Zustand“. Offenbar überhöre er die Klagen der Naturschützer und Jäger, die den Rückgang des Niederwildes sowie vieler Vogelarten (Wiesenvögel, Eulen) infolge „Totalvermaisung“ genauso schmerzhaft registrieren wie die Wildschweinplage, die sich in der Verwüstung von Ackerflächen und der Zunahme von Wildunfällen im Straßenverkehr zeigt.

Was sich vor unseren Augen mit dieser Monotonisierung vollziehe, sei der Zerfall Deutschlands – hier in das vormoderne Idyll der National- und Naturparks, dort in „das neue, moderne Deutschland der technoiden Siedlungs-, Agrar- und Energielandschaft“. Nur das Bewußtsein der Bevölkerung, bei der eigentlich eine „grundsätzliche Akzeptanz für die Energiewende“ vorhanden sei, hinke diesem Prozeß bislang hinterher. Denn je rascher der Wandel voranschreite, desto schmerzlicher scheine sich als Kompensation eines Verlustgefühls die Sehnsucht nach der „heilen Welt“ dörflich-ländlicher Beschaulichkeit auszubreiten – wie die Millionenauflage von „Landlust, Landgang und wie die Gazetten alle heißen mögen“ beweise, so der Experte für Landschaftsplanung.

Für Riedel kann es keine gelungene Energiewende geben, wenn man in der Gesamtschau die jetzt schon vorhandenen „Kollateralschäden“ und den „eindeutigen Verlierer“, den Naturschutz, ignoriere. Ob die EU-Agrarreform, die Direktzahlungen an Landwirte künftig an Umweltleistungen knüpft, ein „Lösungsinstrument“ in dieser verfahrenen Lage anbiete, erscheint aus seiner ökologischer Perspektive zweifelhaft, so daß er glaubt, sein Warnruf werde die „vorhandene Resignation“ der Umweltschützer eher vermehren.

„Naturschutz und Landschaftsplanung“

www.nul-online.de

Statistiken des Fachverbandes Biogas:

www.biogas.org

Foto: Abgeerntetes Maisfeld in Norddeutschland: Es droht eine technoide Siedlungs-, Agrar- und Energiewüste statt gewachsener Landschaften