© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Klare Worte eines Unbotmäßigen
Großbritannien: Mit seiner EU-Kritik traf Premier David Cameron den Nerv vieler Eurofanatiker / UKIP-Chef Nigel Farage jubiliert
Josef Hämmerling

Der Geist ist jetzt aus der Flasche“, jubelte der Vorsitzende der United Kingdom Independence Party (UKIP), Nigel Farage. Er reagierte damit auf die Rede des britischen Premierministers David Cameron, in der dieser eine Abstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union (EU) für 2015, spätestens aber für 2017 ankündigte. Seine Partei, die von Cameron oftmals als Vereinigung von „Verrückten, Spinnern und Rassisten“ bezeichnet wurde, sei durch die Worte des Premiers bestätigt worden. „Unser Job hat gerade erst begonnen“, lautete dann auch das Fazit Farages, dessen Partei derzeit in Wahlumfragen zwischen zehn und fünfzehn Prozent der Stimmen bekommen würde.

Zustimmung fand Camerons Rede auch in Teilen seiner konservativen Partei sowie vielen rechten, meist Oppositionsparteien Europas – das war es dann aber auch schon. Die Mehrheit der Spitzenpolitiker aller Parteien Europas wandte sich entschieden gegen die Forderungen des Briten, der in seiner Rede kritisierte, die Europäische Union entwickele sich zu einem bürokratischen Monster, das sich mehr und mehr vom Bürger entferne. Vor allem sei auch eine größere und wichtigere Rolle der nationalen Parlamente vonnöten. Dies ist – neben anderen Punkten – nach Ansicht Camerons nicht mehr gegeben, so daß die britischen Bürger direkt über einen Verbleib in der EU abstimmen sollten.

Unmittelbar nach dieser Rede kam es zu einem Empörungssturm quer durch Europa. Besonders scharf äußerte sich EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD), der Cameron vorwarf, er befinde sich auf einem „völligen Irrweg“ und sei „ein Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr beherrscht“. Das Konzentrieren auf wenige Bereiche könne zum Zerbrechen der EU führen. Zudem seien die notwendigen Reformen, die die EU „effektiver, demokratischer, transparenter und schlanker“ hätten machen können, an Großbritannien gescheitert. Ähnlich äußerte sich der französische Außenminister Laurent Fabius und erklärte, daß Frankreich Großbritannien, sollte es Europa verlassen wollen, den roten Teppich ausrollen würde. Parallel dazu warf der deutsche Außenminister Guido Westerwelle den Briten „Rosinenpickerei“ vor: Europa sei eine Schicksalsgemeinschaft und keine Bündelung nationaler Interessen.

Eher zurückhaltend war dagegen die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Kompromißbereitschaft in der EU-Reformdebatte forderte. Auch in Camerons Heimatland gab es warnende Stimmen, so etwa von Ed Milliband, dem Chef der Labour-Partei. Nach dessen Ansicht verrate Cameron die Wirtschaftsinteressen des Landes und schaffe jahrelange Unsicherheiten.

Gelassen reagierte dagegen der deutsche Außenhandelsverband. So erklärte der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), Anton Börner, gegenüber dem Handelsblatt, man solle „einen kühlen Kopf“ bewahren, denn auch „mit einem geordneten Rückzug der Briten könnte die deutsche Wirtschaft leben“. Großbritannien müßte hierfür einen viel höheren Preis bezahlen als Deutschland. Der BGA-Präsident sieht bei einem Austritt der Briten weniger Gefahr für die Finanzmärkte, „als für die Bedeutung des Wettbewerbsgedankens, offener Märkte und des Unternehmertums in Europa, der immer stärker von dem staatswirtschaftlichen Denken besonders der Südeuropäer überschattet wird“.

Verständnis gab es von einzelnen Politikern aus CDU und FDP. In einem Gastbeitrag für Handelsblatt Online hielt der Haushaltsexperte der CDU-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Willsch, Camerons Entscheidung „angesichts der andauernden Versuche der südeuropäischen Peripheriestaaten, ihre Schulden bei europäischen Einrichtungen abzuladen, für nachvollziehbar“. Richtiger wäre es aber, Großbritannien würde an der Seite Deutschlands versuchen, die anderen Staaten auf einen Subsidaritätskurs zu bringen.

In Großbritannien selbst würden letzten Umfragen zufolge nur 40 Prozent der Bürger für einen EU-Austritt stimmen. 18 Prozent erklärten allerdings, sie hätten noch keine Meinung. Auch wenn die UKIP jetzt jubelt, am Ende kann sie Verlierer dastehen, denn nach Camerons Entscheidung könnten viele Euroskeptiker wieder die Konservativen wählen.

Foto: Premier David Cameron und seine Frau Samantha auf dem Weg zum Wahlbüro (Archivfoto 2010): Weg frei für ein EU-Referendum

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