© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Japanische Erfolgsgeschichte
Autoindustrie: Toyota wieder der erfolgreichste Massenhersteller / Sinkender Yen-Kurs beflügelt Exporte
Albrecht Rothacher

In den Berichten aus Mali war er wieder zu sehen, der Kampfwagen der asymmetrischen Kriege des 21. Jahrhunderts – der Toyota Hilux. Von der Westsahara bis zum Hindukusch ist dieser Pritschenwagen (Pickup) der Liebling aller Rebellen und Terroristen. Die erste Generation kam 1968 auf den Markt, angelehnt an Vorbilder wie die noch heute erfolgreiche Ford-F-Serie oder die damalige Chevrolet-C-Serie.

In Deutschland sind 22.000 Euro für einen Hilux-Kauf notwendig, die für die Dritte Welt in Südamerika, Afrika und asiatischen Billiglohnländern gebauten Billigvarianten sind für weit weniger zu haben. Deshalb wurden bislang über 14 Millionen Exemplare verkauft. Technisch nicht auf dem neuesten Stand, aber unverwüstlich, leicht reparierbar. Für die dortigen Märkte ausgerüstet mit einem Dieselmotor, der zwar nicht die Abgasnorm „Euro 6“ erfüllt, aber dafür minderwertigen Sprit verträgt. Auf der Ladefläche des von Militärs als „Technical“ bezeichneten Hilux können schwere MG, Raketenwerfer und Flugabwehrgeschütze leicht montiert werden oder als Kavallerie des kleinen Mannes ein Dutzend Kombattanten aufsitzen.

Mit Taliban- oder Tuareg-Kämpfern möchte man in der Toyota-City östlich von Nagoya in der zentraljapanischen Präfektur Aichi nichts zu tun haben – aber man kann sich seine treue Kundschaft nicht aussuchen. Lieber pflegt man daher das zurückgewonnene Image als neuerlicher Weltmarktführer mit im vergangenen Jahr 9,75 Millionen verkauften Fahrzeugen der Marken Toyota, Lexus, Hino und Daihatsu. Das waren 22,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Stolz verweist Konzernchef Akio Toyoda dabei auf die 1,2 Millionen verkauften Toyota- und Lexus-Hybridfahrzeuge mit kombiniertem Benzin- und Elektroantrieb.

2011 hatte es noch ganz anders ausgesehen. Toyota hatte zwar 2009 im Zuge der Finanzkrise den konkursreifen General-Motors-Konzern (GM) von der Weltspitze verdrängt, aber im Tsunami- und Fukushima-Katastrophenjahr erlitt man wegen Erdbebenschäden und Energieengpässen einen wochenlangen Produktionsausfall, der nicht aufgeholt werden konnte. Dazu fielen im Herbst bei den großen Überschwemmungen in Thailand wichtige Zulieferungen aus. Mit der unterbrochenen Lieferkette konnten Toyota, Honda und Nissan vor allem den US-Markt nicht mehr ausreichend beliefern. Ford und die entschuldete Konkurrenz GM und Chrysler sowie Hyundai und Kia schnappten sich die verwaisten Marktanteile. In der Weltrangliste fiel Toyota hinter GM und Volkswagen auf Platz drei zurück.

Nun ist Toyota wieder vorne, für dieses Geschaeftsjahr sind 9,9 Millionen Autos geplant. Hauptverantwortlich für den Optimismus ist der florierende US-Automarkt, der einzige Lichtblick der US-Wirtschaft. Das Durchschnittsauto ist dort nach den Krisenjahren fast elf Jahre alt. Der Ersatzbedarf ist hoch. So stieg der US-Absatz von Toyota um 27 Prozent auf 2,1 Millionen, der von Honda um 24 Prozent auf 1,4 Millionen. VW steigerte seine Verkäufe sogar um 30 Prozent auf nun 580.000 Fahrzeuge. Daß Toyota im Herbst 2012 – nach dem vermeintlichen Skandal um angeblich blockierende Bremsen und unstoppbare Beschleunigungen – eine erneute Rückholaktion starten mußte, tat dem Qualitätsimage und der Nachfrage nach zumindest im Großstadtverkehr sparsamen Hybridautos keinen Abbruch.

Auf dem chinesischen Markt taten sich hingegen alle japanischen Hersteller schwer. Das war eine Folge des Streits um die japanischen Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer, die von Peking wegen der dort entdeckten Öl- und Erdgasreserven für sich beansprucht werden. Im Spätsommer 2012 wurden tagelang japanische Produkte und Ausstellungsräume vom chinesischen Mob demoliert. Die chinesischen Besitzer solcher Autos fuhren lieber Bus. Der japanische Autoabsatz fiel um 40 bis 50 Prozent. Auf jenem weltgrößten Massenmarkt konnten nun VW und GM abräumen. Im Luxussegment dominieren ohnehin zu 70 Prozent die deutschen Premiummarken. Da Toyota mit 840.000 Wagen weniger als ein Zehntel seiner Produktion in China verkauft, war der Konzern weniger getroffen als Nissan und Honda.

Auf dem stagnierenden EU-Markt verdient Toyota derzeit zwar noch Geld. Doch werden mit dem Einbruch in Südeuropa und den Nachwehen der Abwrackprämien keine mittelfristigen Absatzsteigerungen mehr erwartet. In Deutschland trugen 2012 nicht einmal 90.000 der 3,1 Millionen Neufahrzeuge das Toyota-Emblem. Akio Toyoda, der Enkel des Firmengründers, will stattdessen mit preisgünstigen Kompaktwagen die wachsenden Mittelschichten in Schwellenländern wie Indien, Indonesien oder Brasilien beglücken. In Thailand hat man bereits einen Marktanteil von 40 Prozent. Dabei soll Japan – dank seiner technologischen Expertise und trotz des stagnierenden Heimatmarktes – mit mindestens drei Millionen Pkw jährlich Hauptfertigungsstandort bleiben. Die Hälfte davon soll exportiert werden.

Mit einem Yen-Kurs, der seit dem Wiederantritt von Premier Shinzo Abe im Dezember ein Fünftel gegenüber Euro und Dollar gefallen ist, dürfte sich diese patriotische Entscheidung rechnen. Mit umgerechnet neun Milliarden Euro Gewinnerwartung ist Toyota ohnehin der bei weitem profitabelste japanische Großkonzern. Mit jedem weiteren Fall der Währung um einen Yen gegenüber Euro und Dollar werden die Exportgewinne um 400 Millionen Euro steigen. Deshalb sind Toyota und die japanische Börse über die neuerliche Politik des Gelddruckens und Schuldenmachens nicht einmal so unglücklich. Kurzfristig jedenfalls nicht.

 

Dr. Albrecht Rothacher ist Asienexperte. Sein Buch über „Demokratie und Herrschaft in Japan – Ein Machtkartell im Umbruch“, erschien 2010 im Iudicium-Verlag.

 

Toyotas Mißerfolg in Deutschland

Mit 9,75 Millionen ausgelieferten Fahrzeugen war Toyota 2012 wieder der weltgrößte Autohersteller. General Motors (GM) und Volkswagen kamen auf 9,28 bzw. 9,07 Millionen. Mit bislang mehr als 39 Millionen Exemplaren ist der 1966 erstmals vorgestellte Toyota Corolla der meistverkaufte Pkw der Welt. Der VW Golf rangiert mit über 29 Millionen Einheiten nur auf Rang drei – hinter den durstigen Pritschenwagen der Ford-F-Serie mit über 35 Millionen. Die Toyota-Qualität wird von Autoexperten nicht bestritten, doch in Deutschland stagniert der Absatz seit Jahren weit unter der 100.000er-Marke. Die in Europa als Auris angebotene Corolla-Version fand 2012 hierzulande lediglich 11.593 Käufer – das ist in etwa soviel wie VW vom Golf in einem halben Monat absetzt. Hybridmodelle machten 2012 12,5 Prozent des Gesamtabsatzes des Toyota-Konzerns aus – 362.845 davon waren Prius. In Deutschland fanden hingegen nur 15.000 Hybridautos aus dem japanischen Konzern einen Käufer – das ist ein Marktanteil von 0,5 Prozent.

www.toyota.de

Foto: Toyota-Geländewagen im asymmetrischen Kriegseinsatz: Firmenchef Akio Toyoda sieht sich lieber mit Hybridfahrzeugen in den Schlagzeilen

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