© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Dichter, Richter, Investoren
Suhrkamp-Verlag: Dem Mitgesellschafter Barlach fehlen die Autoren, der Familienstiftung Unseld-Berkéwicz fehlt das Geld
Thorsten Thaler

Allmählich zeichnet sich in der öffentlichen Diskussion unter Schriftstellern und Juristen ab, wie es mit dem Berliner Suhrkamp-Verlag nach der gerichtlich verfügten Abberufung der Mehrheitseignerin Ulla Unseld-Berkéwicz als Geschäftsführerin (JF 49/12) weitergehen wird. Berkéwicz tritt demnach endgültig vom Amt des Geschäftsführers zurück, und der Minderheitseigner Hans Barlach (39 Prozent) wird von ihr ausgezahlt und verläßt den Verlag. Eine andere Lösung, sagen die Auguren, sei im Hinblick auf die bestehende Rechtslage nicht mehr absehbar.

Die beiden beteiligten Parteien, Berkéwicz und Barlach, sind so zerstritten und konzeptionell voneinander entfernt, daß die Existenz des Verlags bei Nichttrennung nicht mehr möglich ist. Ein Gerichtsurteil droht, das genau diesen Tatbestand feststellen wird. Würde nun Barlach die Familienstiftung von Frau Berkéwicz auszahlen, würde sich, so sagen alle, die überwältigende Mehrheit der den Verlag bisher konstituierenden Autoren von diesem trennen, was ebenfalls einer Auflösung gleichkäme. Folglich gibt es nur eine Lösung: Berkéwicz verschwindet als Geschäftsführerin, Barlach zur Gänze.

Freilich hat die Sache einen Haken. Die Unseld-Berkéwicz-Familienstiftung verfügt von sich aus nicht über die Mittel, um Barlach in voller Höhe auszahlen zu können. Man ist also angewiesen auf die Hilfe eines „wohlgesinnten Sponsors“. Wo aber findet man denn, wenn es um zig Millionen geht, einen solchen Sponsor, welcher aus lauter Wohlgesinntheit derartige Summen springen ließe? Viel realistischer ist doch der Blick auf zahlungskräftige Investoren, die – bei aller Wohlgesinntheit – stets auch ihr eigenes Geschäftsinteresse im Auge behalten.

Über neunzig Prozent aller deutschen Literaturverlage befinden sich bereits im Besitz medialer Großkonzerne, Holtzbrinck, Bertelsmann, Bouvier. Diese sind natürlich alle äußerst wohlgesinnt, das heißt, sie würden sich auch gern die Marke Suhrkamp an den Hut stecken. Eine Familienstiftung kann da immer nur die zweite Geige spielen.

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