© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Zahnarzthelferinnen gegen Rechts
Konferenz: Brüssel hat den Extremismus entdeckt / Maßnahmen vor allem gegen Euro-Skeptiker und Islamkritiker geplant
Ronald Gläser

Das vorige Wochenende wäre so ein Moment gewesen, in dem führende EU-Beamte wohl gerne zurückgeschlagen hätten. Durch eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler kam heraus, daß 4.365 der etwa 45.000 EU-Beamten netto mehr verdienen als Angela Merkel (etwa 195.000 Euro pro Jahr). In sozialen Netzwerken wie Twitter verbreitete sich diese Nachricht in Windeseile.

Offizielle Parlamentsvertreter müßten die Möglichkeit haben, auf solche Debatten sofort zu reagieren, „um Mythen widerlegen zu können“, heißt es in einem internen Parlamentsbericht, der vom britischen Telegraph enthüllt wurde. Das EU-Parlament plant daher eine verstärkte Überwachung und Beeinflussung der öffentlichen Meinung in den Mitgliedstaaten. Dazu werden in diesem Jahr zwei Millionen und weitere 900.000 Euro im kommenden Jahr „für einen Propagandablitzkrieg“ aufgewendet, wie es die britische Tageszeitung ausdrückt.

Das Geld soll vor allem in solchen Staaten zum Einsatz kommen, in denen es einen „wachsenden EU-Skeptizismus“ gibt. Der stellvertretende Chef der britischen Unabhängigkeitspartei UKIP, Paul Nuttall, kritisierte die Aktion: „Mehr als eine Million Pfund im Jahr für EU-Beamte auszugeben, die während ihrer Arbeitszeit als Twittertrolle tätig werden, ist Geldverschwendung und wirklich albern.“

Kein Zweifel: Europa bereitet sich auf das Wahlkampfjahr 2014 vor. Dieser Vorstoß der Parlamentarier ist der jüngste einer Serie von Propagandamaßnahmen. Im Januar unterbreiteten Experten im Auftrag der EU-Kommission den Vorschlag, die Medien stärker durch sogenannte Medienräte in den Einzelstaaten zu kontrollieren und multinationale Medienkonzerne zu subventionieren (JF 5/13). Alles unter dem Deckmantel der „Verteidigung der Pressefreiheit“. Federführend bei der Kontrolle der Medien soll die sogenannte EU-Menschenrechtsagentur sein, die frühere „Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“. In der vergangenen Woche dann eine Konferenz in Brüssel zum Thema Extremismus in der EU, die es in sich hatte: Die EU-Kommission plant, den Kampf gegen Rechts auch auf EU-Ebene zu führen. Bislang war dies Sache der Einzelstaaten.

Zentrale Forderungen der sogenannten „High Level Conference“, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand: mehr Geld und mehr Kompetenzen für linke Projekte, mehr Überwachung der Bürger. Die schwedische EU-Kommissarin Cecilia Malmström (zuständig für Sicherheit, Inneres) sagte zur Begrüßung der mehr als 100 Teilnehmer, darunter 15 Minister aus EU-Staaten: „Wir werden den gewaltbereiten Extremismus nicht besiegen können, wenn wir nicht auch die populistische und demagogische Propaganda angehen, die den Boden für ideologisch motivierte Gewalt in Europa bereitet.“

Als besonders gefährlich gelten Islamkritiker

Die schwedische Linksliberale verwies auf die Amokläufe von Anders Breivik und Mohammed Merah. Beide Einzeltäter seien in extremistischen Milieus verwurzelt gewesen. Die Anti-Terrorstrategie bestehe darin, gegen diese Gruppen vorzugehen, seien sie nun religiös-fundamentalistisch, rechts- oder linksextremistisch motiviert oder Tierrechtsfanatiker.

Von den letztgenannten Gruppen war nach diesen einleitenden Worten nichts mehr zu hören. Ein holländischer Teilnehmer konnte sich an keine Silbe erinnern, die über Linksextremismus gesprochen wurde. „Das war kein Tagesordnungspunkt, und auch die Minister haben immer nur von Islamisten und Rechtsextremisten gesprochen.“ Diese Information deckt sich mit dem Inhalt des Diskussionspapiers, das bereits im Vorfeld veröffentlicht worden war. Es sieht die Zusammenarbeit von Schulbehörden, Gesundheitsämtern, Kommunalverwaltung und Sozialarbeitern vor. Nichtregierungsorganisationen sollen in den Kampf gegen Extremismus einbezogen werden. „Personen, die von staatlichen Strukturen abgeschreckt würden, werden eher mit nichtstaatlichen Praktikern zusammenarbeiten“, heißt es zur Begründung.

Gemeint sind „private“ Antifa-Vereine, wie es sie in Deutschland zuhauf gibt. Sie sollen möglichst langfristig aus Steuergeldern finanziert werden, weil sie nur dann die notwendigen Kapazitäten aufbauen könnten, heißt es in dem Papier. Kommissarin Malmström erwähnte examplarisch die Organisation „Exit“, die sich um Aussteiger der „Neonazi“-Szene bemühe. Exit hatte bei einem Konzert 250 Hemden mit einem Aufdruck verteilt, der erst nach dem Waschen sichtbar wurde und die Besitzer zum Umdenken auffordert. „Exit konnte danach einen steigenden Zulauf verzeichnen“, freute sich die Kommissarin.

Als besonders gefährlich gelten aus Sicht der EU auch Islamkritiker. Die Diskriminierung von Muslimen sei ebenso anzugehen wie seit 30 Jahren Homophobie und Ausländerfeindlichkeit, lautet einer der Vorschläge. Zu diesem Zweck solle unter anderem die Geschichte des „Arabischen Frühlings“ als leuchtendes Beispiel einer Revolution neu erzählt werden. Abenteuerlich sind auch die Vorschläge, Angehörige des Gesundheitswesens in den Kampf gegen Extremismus einzubinden. Öffentliche medizinische Einrichtungen sollen Informationen über ihre Patienten austauschen können, wenn diese als „Radikale“ identifiziert worden sind.

Internetanbieter sollen radikale Inhalte löschen. Die Polizei soll ein besseres europaweites Überwachungssystem einrichten und gleichzeitig zusammen mit anderen staatlichen Institutionen (Justiz, Einwanderungsbehörden) „für institutionelle Vorurteile sensibilisiert“ werden.

Am Ende ihrer Rede faßte Malmström die „Bedrohung“ so zusammen: „Lassen Sie mich die traurigen Trends in der Politik zusammenfassen: Wir sehen ein Wachstum von Extremismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Haß, Nationalismus. In einigen Ländern sind sogar Neonazis gewählt worden. Wenn dieser Trend anhält, dann könnte die nächste Europawahl 2014 diese Formationen weiter stärken.“ Die EU hatte bereits 2011 das sogenannte Radikalismus-Aufmerksamkeits-Netzwerk (RAN) gegründet, das als Organisator von 14 vorbereitenden Konferenzen gedient hat. Diese in Amsterdam beheimatete neue EU-Behörde hat sieben Mitarbeiter. Noch.

Cecilia Malmström ist unter anderm zuständig für das sogeannte Radikalisierungs-Aufmerksamkeits-Netzwerk (RAN):

www.blogs.ec.europa.eu/malmstrom/

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