© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Angst vor Privatisierung
Wasserversorgung: EU-Richtlinie erleichtert Vergabe an internationale Großkonzerne / Schlechte Erfahrungen
Taras Maygutiak

Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ Diese Vorgehensweise verriet der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker im Spiegel Ende 1999. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier muß sich wohl das gleiche gedacht haben, als er sich daran gemacht hat, eine EU-Richtlinie zu entwerfen, in der vorgeschrieben wird, daß Wasserversorgungslizenzen künftig europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die Wasserversorgung könnte damit de facto privatisiert werden. Denn eines ist klar: Bei EU-weiten Ausschreibungen könnten kleine kommunale Wasseranbieter gegen internationale Großkonzerne kaum mithalten. Daß im Wasserbereich vor allem französische Firmen aktiv sind und Barnier Franzose ist, mag kein Zufall sein – doch die Richtlinie hat die Zustimmung der gesamten EU-Kommission. Beraten wurde Barnier von der sogenannten Steering-Group. In dieser Lenkungsgruppe sitzen Vertreter der Konzerne Suez Environnement, Abengoa Water, European Landowners’ Organization, General Electric Water and Process Technologies oder Climate Change Capital Private Equity Fund – sie stammen allesamt aus der Wasserindustrie oder verwandten Industriebereichen.

Daß das Reizwort „Privatisierung“ bei traditionellen Linken die roten Lampen angehen läßt, überrascht nicht. Auch die 2012 gegründete Europäische Bürgerinitiative (EBI), die das Thema „Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung“ zu einem Thema auf der EU-Agenda machen will, wird beispielsweise maßgeblich vom Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) unterstützt.

Bundeskartellamt schritt gegen hohe Wasserpreise ein

Doch mit scharfer Kritik reagiert auch der Vorsitzende der Freien Wähler (FW), Hubert Aiwanger. Er geißelt „die ständigen Sabotageakte aus Brüssel gegen die kommunale Wasserversorgung und das Menschenrecht auf Wasser“. Es sei mittlerweile nicht mehr zumutbar, daß ständig unter dem Vorwand, durch Wettbewerb bei der öffentlichen Daseinsvorsorge etwas Gutes für die Menschen erreichen zu wollen, genau das Gegenteil angestrebt wird, um Lobbyisten in die Hände zu spielen, so der bayerische FW-Fraktionschef.

„Bei der Energieversorgung haben wir gesehen, welche Preissteigerungen die Privatisierung und Monopolisierung gebracht hat. Es ist unerträglich, wenn Barnier jetzt behauptet, die Möglichkeit, das Wasser auch einem privaten Partner anzuvertrauen, ist zum Wohl des Verbrauchers“, so Aiwanger: „Die Trinkwasserversorgung in Deutschland funktioniert bestens, wir brauchen hier keine Hilfestellung von Herrn Barnier.“

Doch nicht überall in Deutschland funktioniert die Wasserversorgung noch so gut wie in Bayern. Berlin machte vor, wie es schlechter und zugleich teurer laufen kann. Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) gehören zu den ersten Wasserversorgern in Deutschland, bei denen private Firmen – die französische Veolia und RWE – 1999 in größerem Umfang beteiligt wurden. Sogar das Bundeskartellamt wurde wegen der überhöhten Wasserpreise aktiv. Die BWB sollen den Kunden in diesem Jahr 58,6 Millionen Euro zurückzahlen. Den Privatisierungsbeschluß des damaligen CDU/SPD-Senats will die jetzige rot-schwarze Koalition nun wieder rückgängig machen.

Wegen eines erfolgreichen Volksentscheids und auf Druck der Bürgerinitiativen „Wassertisch“ und „Berliner Bündnis gegen Privatisierung“ sollen die privaten Anteile wieder zurückgekauft werden. Zieht man in der deutschen Hauptstadt nun die Notbremse, so sind in einigen EU-Ländern längst Fakten geschaffen worden. In einigen Landstrichen Portugals klagen Menschen über gesunkene Wasserqualität, während der Preis für das kostbare Naß in wenigen Jahren um mehrere hundert Prozent gestiegen ist. In der Toskana ist das Wasser zwar noch gut, aber auch hier klagen die Abnehmer über horrend gestiegene Wasserkosten. In London oder Bordeaux das gleiche, dort hat sich die Privatisierung zudem in den Leitungen bemerkbar gemacht. Die Rohre verrotten, Wasser versickert und verschmutzt.

Neben den Berlinern haben sich nun die Bayern besonders des Themas „Wasserprivatisierung“ angenommen. Ob’s an den Freien Wählern dort liegt, der bevorstehenden Landtagswahl – oder an beidem? Bei der CSU wollen plötzlich auch alle gegen die Richtlinie aus Brüssel sein. Und bundesweit sollen nach einer Umfrage 82 Prozent dafür sein, daß Städte und Gemeinden weiter die Wasserversorgung organisieren.

Die Größenordnung der Ablehnung dürfte auch auf Bayern passen: Sogar der EU- und Euro-Überzeugungstäter Theo Waigel (CSU) sprach in der Fernsehsendung „Jetzt red i“ dem Bürger flugs nach dem Munde: „Laßt doch mal die Finger von Dingen, die vor Ort viel besser geregelt werden können“, sendete er Richtung Brüssel. Dabei hätten sich die CSU-Leute schon früher der Sache annehmen können. „Es waren immer die Mitgliedsländer beteiligt“, erinnerte kürzlich der Brüsseler ARD-Berichterstatter Rolf-Dieter Krause in einem Interview. Die Richtlinie habe man auch auf dem Kabinettstisch in Berlin gehabt. Die Bayern müßten ihre CSU-Minister fragen: „Was habt ihr da gemacht?“

EU-weite Unterschriftenkampagne der EBI unter dem Motto „Wasser ist ein Öffentliches Gut, keine Handelsware“:

www.right2water.eu/de

 

Geplante EU-Konzessionsrichtlinie

Die Portugiesen demonstrieren gegen hohe Wasserpreise. In Griechenland sollen die Wasserwerke von Athen und Saloniki unter den Hammer kommen. Selbst in Frankreich, wo fast drei Viertel ihr Trinkwasser von einem Privatbetreiber beziehen, regt sich Widerstand gegen die private Wasserversorgung. In Österreich soll ein Privatisierungsverbot für Wasser sogar in die Verfassung aufgenommen werden – doch das sei „rechtlich belanglos“, warnt der Verfassungsjurist Theo Öhlinger, denn EU-Recht habe Vorrang vor nationalem Recht. Den Binnenmarktausschuß des EU-Parlaments (Imco) hat die Konzessionsrichtlinie, die ab 2020 voll durchschlägt, bereits mit 28 zu 10 Stimmen passiert. Nur Wasserversorger mit einer alleinigen Beteiligung der öffentlichen Hand wären von der Richtlinie nicht betroffen. Auch für Rettungsdienste, den Sicherheitsbereich, den öffentlichen Personenverkehr und bestimmte Leistungen für Rundfunk- und TV-Anstalten gelten Ausnahmen.

 

Imco-Richtliniendokumente 2011/0438:

www.europarl.europa.eu/committees/de/
www.imco/working-documents.html

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