© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Spekulationsgewinner stürzten das Reich in Inflation und Not
Leichtfertige Geldpolitik mit bösen Auswirkungen: Das Prager Münzkonsortium von 1622 als warnendes Beispiel für eine kopflose Euro-Rettungspolitik
Wolfgang Kaufmann

Ein deutsches Staatoberhaupt mit Geldnöten, windige Finanziers in geheimen Netzwerken, eine Währung als Spekulationsobjekt und leidtragende Bürger – was sich wie ein spannender Kriminalroman mit aktuellem Bezug liest, ist lediglich eine Beschreibung des Prager Münzkonsortiums von 1622, ein bisher wenig beachteter Finanzskandal des Dreißigjährigen Krieges. Steffen Leins ist es zu verdanken, auf dieses frühkapitalistische Währungsgeschäft hinzuweisen, welches für eine verheerende Inflation in Mitteleuropa verantwortlich war.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Kurze Zeit nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges verpachtete Kaiser Ferdinand II. zur Finanzierung seiner Söldnertruppen das Münzprägerecht der Länder Böhmen, Mähren und Niederösterreich für ein Jahr an ein Konsortium. Namentlich nennt der Vertrag vom 18. Januar zwar nur den niederländischen Bankier Hans de Witte, doch stehen hinter diesem der kaiserliche Statthalter in Böhmen und mutmaßliche Drahtzieher Karl Fürst von Liechtenstein, der bedeutendste Bankier Prags, der jüdische Hofbankier Jakob Bassevi, und der Militärverwalter Böhmens, Albrecht Freiherr von Wallenstein. Insgesamt dürfte das Konsortium sechzehn Köpfe umfaßt haben.

Die konspirativen Bedingungen kamen nicht von ungefähr, umging der Kaiser doch Reichsrecht, welches eine Verpachtung des kaiserlichen Münzregals verbot. Auch wurde in dem Vertrag nicht auf den Gewinn des Konsortiums eingegangen. Was unausgesprochen im Raume stand: Schon die gewaltige Pachtsumme von sechs Millionen Gulden konnte kaum anders als durch gezielte Münzverschlechterung einer weitgehend ahnungslosen Bevölkerung aufgebracht werden, was in den folgenden Monaten auch weidlich ausgenutzt wurde. Alleine de Witte schöpfte auf diese Weise die kaum vorstellbare Summe von über 31 Millionen Gulden ab.

Die Folgen waren für das Reich katastrophal. Eine massive Inflation ruinierte die Wirtschaft in den betroffenen, durch den Krieg ohnehin schon belasteten Ländern vollends. Die kaiserlichen Kassen wurden längerfristig durch das „Kippen und Wippen“ der mit Kupfer versetzten Silbermünzen schwer geschädigt, vom Reputationsverlust ganz zu schweigen. Ob das Konsortium von den Folgen seiner Währungsspekulation wirklich so überrascht wurde, wie Leins vermutet, sei dahingestellt. Immerhin investierten die Beteiligten gewaltige Geldsummen in den Erwerb von Grund und Boden – probates Mittel bei einer drohenden Inflation.

Bleibt die Erkenntnis, daß es gefährlich wird, sobald Staatschefs in Krisenzeiten auf wohlmeinende Berater hören, die gleichzeitig Profiteure sind. Viel Glück brachte das ergaunerte Geld übrigens nicht. De Witte beging nach einem Bankrott Selbstmord, Bassevi verstarb arm und unter mysteriösen Umständen, das Ableben Wallensteins ist hinlänglich bekannt. Einzig dem mährischen Adligen Liechtenstein gelang es, ein prosperierendes Fürstentum mit gewaltigen Landbesitzungen in Böhmen und Schlesien zu gründen, was seinem Enkel Johann Adam nach 1699 einen überaus nachhaltigen Besitzerwerb ermöglichte: die Herrschaften Schellenberg und Vaduz – das heutige Fürstentum Liechtenstein. Die fatale Spekulationspolitik Karl von Liechtensteins erfuhr übrigens das Mißfallen des Reiches, welches die Nachkommen des Finanzspekulateurs mit fruchtlosen Prozessen und Entschädigungsforderungen überzog. Eine Antipathie, die offensichtlich bis heute anhält.

Steffen Leins: Das Prager Münzkonsortium. Ein Kapitalgeschäft im Dreißigjährigen Krieg am Rand der Katastrophe. Aschendorff Verlag, Münster 2012, broschiert, 208 Seiten, 29 Euro

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