© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Clare Foges, Beraterin David Camerons, gilt als Polit-Poetin und macht von sich reden.
Das Fräulein Wunder
Derek Turner

Am 23. Januar hielt Großbritanniens Premier David Cameron die umstrittenste Rede seiner Karriere, in der er seinem Volk ein Referendum über den Verbleib in der EU versprach, sollten die Konservativen die nächsten Wahlen gewinnen (JF 5/13).

Diese Rede war mutig, denn sie befremdete seinen liberalen Koalitionspartner und ärgerte die Wirtschaft. Sie war zudem clever, denn durch sie versicherte sich Cameron der Loyalität der euroskeptischen Abgeordneten seiner Fraktion, neutralisierte die Wählerschaft der eurokritischen UK Independence Party, sicherte sich den Beifall der rechten Presse, manövrierte die Arbeitspartei in die schwierige Lage, die EU zu verteidigen und schockte die Brüsseler Eurokraten, die nun bereitwilliger sind, Zugeständnisse in Fragen einer Strukturreform der EU zu machen. Zudem weiß Cameron, der eigentlich wünscht, das Land möge in der EU bleiben, daß sein Vorschlag nicht zuletzt für die Euroskeptiker eine große Gefahr bedeutet. Denn wenn sie die Abstimmung verlieren, haben sie ausgespielt.

Die ausgefuchste Rede, die seit November vorbereitet wurde, hat die öffentliche Aufmerksamkeit auf Clare Foges gelenkt, Camerons Beraterin und Redenschreiberin – „Camerons Kehlkopf“, wie ihre Kollegen sie nennen.

Foges sticht heraus aus der Mannschaft des Premiers: Sie ist weiblich, nur 31 Jahre alt, glamourös, besuchte aber nur eine staatliche Schule, verdiente zeitweilig ihr Geld als Eisverkäuferin und publizierte Gedichte. Sie ist zudem eine gläubige Christin, gründete ihre eigene Schmuckfirma; und einer ihrer Entwürfe stand unlängst im Mittelpunkt einer gerichtlichen Auseinandersetzung um die Frage, ob Angestellte der British Airways während der Arbeit christliche Symbole tragen dürfen.

Foges trat den Konservativen 2003 bei, arbeitete zunächst für den Londoner Bürgermeiser Boris Johnson, bevor sie 2008 zu Camerons Mannschaft stieß.

Ihre neuen Aufgaben dort brachten ihr manche Einsicht, etwa daß „die öffentliche Debatte immer steriler wird, was zur Verarmung der Politik und vielleicht sogar zur Gefährdung der Demokratie führt“, wie sie in einem Artikel schrieb. Foges kam zu dem Schluß, daß der Zustand des „antiseptischen Sprechens“ erreicht, „die politische Rede von allem Umstrittenen, Bunten, Impulsiven, ja von allem, was unter Umständen von irgendwem als beleidigend empfunden werden könnte, gereinigt“ sei. Und sie beklagte einen „egalitären Impuls“, der sogar gebildete Politiker an den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ appellieren lasse.

Ihrem Chef David Cameron riet sie, den Mut zu haben, beim Sprechen den Sicherheitsgurt abzulegen. Doch so beachtlich seine Januarrede gewesen ist, er hielt sie immer noch mit geschlossenem Gurt. Doch das ist nun einmal das Schicksal so vieler Berater – daß man zwar ihre Fähigkeiten nur allzu gern in Anspruch nimmt, ohne jedoch auf ihren Ratschlag zu hören.

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