© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

„Außen Kirche, innen Moschee“
Islam I: In Hamburg ist eine ehemalige evangelische Kirche von Moslems übernommen worden
Michael Johnschwager

Über 40 Jahre besuchten Christen im Stadtteil Horn die Kapernaum-Kirche. Seit 2002 steht die Kirche leer, vor dem Eingang sammelt sich der Müll. Doch damit ist bald Schluß: Aus der früheren Kirche soll eine Moschee werden.

Diese Meldung schlug in der Hansestadt an der Elbe nicht nur bei Angehörigen der evangelisch-lutherischen Kirche hohe Wellen. Das fassungslose Staunen der „Ungläubigen“ wich rasch der unumstößlichen Tatsache, sich vor vollendete Tatsachen gestellt zu sehen. Bereits am 3. Oktober, an dem seit einigen Jahren der Tag der offenen Moschee begangen wird, beabsichtigt das Islamische Zentrum Al-Nour (das Licht) seine neue Pilgerstätte zu eröffnen.

Kirchenschiff und der unbeabsichtigt Stilelemente eines Minaretts tragende Turm wurden nach Plänen des Architekten Otto Kindt (1909–2006) errichtet. 1961 wurde der markant rautenförmige Ziegelsteinbau geweiht. Um die Jahrtausendwende mußte sich die evangelisch-lutherische Gemeinde eine massive Abwanderung ihrer Mitglieder eingestehen. Es bestand keine Aussicht auf eine Verbesserung der mißlichen Lage, 2002 folgten die Entwidmung des Gotteshauses und vor gut sieben Jahren der Verkauf an einen Hamburger Unternehmer, der in der Kirche eine Kindertagesstätte einrichten wollte. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude ist jedoch erheblich sanierungsbedürftig. Die Kosten für die Instandsetzung werden mit etwa einer Million Euro veranschlagt.

Der Unternehmer veräußerte die Kapernaum-Kirche schließlich weiter. Neuer Hausherr ist Daniel Abdin, dessen 1993 gegründetes Islamisches Zentrum Al-Nour zuvor in einer stillgelegten Garage im multikulturellen Stadtteil St. Georg untergebracht war. Daher hat er sich nach einem würdigen Ort für seine 600 Glaubensbrüder umgesehen. Seine Wahl fällt auf die Kirche in Horn, die er Ende 2012 „für einen sechsstelligen Betrag“ erwirbt. Abdin ist den Hanseaten kein Unbekannter, seit er als Vorsitzender des Rates der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg als treibende Kraft in Erscheinung trat und den ersten in Deutschland mit Moslems geschlossenen Staatsvertrag unterzeichnete. Der entschlossene Verfechter von Integration und eines interreligiösen Dialogs hat sich das Miteinander mit den Christen auf die Fahne geschrieben. Der Aufregung des altgedienten ehemaligen Hauptpastors von St. Michaelis, Helge Adolphsen – als Ex-Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchenbautages ausgewiesener Experte in der Materie – begegnet Abdin mit Unverständnis. Daß aus der Kirche eine Moschee entsteht, stellt aus Sicht des evangelischen Geistlichen einen „Dammbruch“ dar.

Angesichts der geschaffenen Fakten äußerte die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs den frommen Wunsch, „eine unaufgeregte Diskussion“ über die Situation zu führen. Diese solle „konsens-orientiert und positiv gestaltet“ sein. Dieser Adjektive hatte sich auch der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke, bedient. Fehrs plädiert für einen offenen und vorurteilsfrei geführten Dialog zwischen beiden Religionen. Die Kontroverse möchte sie entschärfen, indem sie versucht, diese herunterzuspielen: „Die Kirche bleibt ein Gotteshaus.“ Im Zuge eines vorauseilenden klerikalen Appeasement verspricht sie sich eine Annäherung an das Islamische Zentrum. Ihr Dialogpartner Abdin bringt die angestrebte Entente lapidar auf die griffige Formel: „Außen Kirche, innen Moschee.“ Die Pilgerstätte stehe nicht nur Moslems offen, fügte er hinzu.

Hamburgs katholischer Weihbischof Hans-Jochen Jaschke nimmt in dieser Angelegenheit eine von der evangelischen Amtsinhaberin Fehr dezidiert abweichende Position ein: „Die Umwidmung einer Kirche in eine Moschee ist nicht in unserem Sinne. Die Austauschbarkeit von Kirche und Christentum mit dem Islam entspricht nicht einem guten interreligiösen Dialog.“ Er spricht sogar von einem „Mißgeschick“ und fordert für den Fall einer Umwidmung christlicher Gotteshäuser eine bessere vertragliche Absicherung ein. Die evangelische Kirche hat übrigens eine entsprechende Leitlinie beschlossen – allerdings erst 2007 und damit für den aktuellen Fall zu spät.

Sozialer Wohnungsbau bestimmt die Kulisse rund um Horns Kaper-naum. Den Supermarkt in unmittelbarer Nähe zur Kirche bevölkern zumeist ältere Menschen. Seit Tagen kreisen ihre Gedanken um das eine Thema: die Moschee. Sohn und Tochter wurden in dieser Kirche konfirmiert, berichtet eine ältere Frau. Es falle ihr daher nicht leicht, die einschneidende Veränderung zu verarbeiten. Dann zuckt sie resigniert mit den Achseln: „Aber es ist eben so.“ Die Kassiererin dagegen läßt ihrem Unmut freien Lauf: „Bald haben wir gar nichts mehr zu sagen.“ Ein Jugendlicher dagegen gibt sich betont lässig: „Für mich kein Thema!“ Nachdem dieser außer Hörweite ist, erhebt ein rüstiger Rentner seine Stimme: „So ein Schnösel! Wenn das so weitergeht, steigen wir demnächst an der Haltestelle „Horner Moschee“ in die Bahn. Eine Anspielung auf die U-Bahn-Station „Hammer Kirche“ im angrenzenden Stadtviertel Hamm.

Foto: Kapernaum-Kirche in Hamburg-Horn: „Bald haben wir gar nichts mehr zu sagen“

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