© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Im Sturm der Entrüstung
Meinungsfreiheit: Der Kampf gegen katholische Anschauungen nimmt an Schärfe zu
Gernot Facius

Das Lexikon fremdartiger Begriffe ist um einen Eintrag reicher: Kathophobie. Gemeint ist die Feindseligkeit gegenüber katholischen Anschauungen. Die Wortschöpfung stammt aus Frankreich, läßt sich momentan am deutlichsten in Deutschland erkennen. Der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz ist dem alten, nun wieder aktuell gewordenen Phänomen des antikirchlichen Affekts nachgegangen: „Journalisten definieren sich als Aufklärer. Und die katholische Kirche gilt schon seit dem 18. Jahrhundert als die gegenaufklärerische Macht schlechthin. Und immer, wenn sie sich gegen den Mainstream stellt und auf unzeitgemäßen Forderungen beharrt, wird dieser Affekt wieder mobilisiert.“

Befeuert wurde er in den vergangenen Wochen durch die Endlosdebatte über Mißbrauchsfälle, den umstrittenen Umgang Kölner katholischer Krankenhäuser mit einer – mutmaßlich – vergewaltigten Frau und den Streit um einen Forschungsauftrag des umstrittenen Kriminologen Christian Pfeiffer (JF 4/13). Hier hat die Kirche nicht gut ausgesehen; sie hat aus der Defensive heraus zu spät reagiert; ihr fehlen die Krisenmanager, die mit den Mechanismen der Mediendemokratie umzugehen wissen.

Die „aggressiv-antikirchliche Stimmung“ (Kardinal Joachim Meisner) entbrennt regelmäßig vor allem an der katholischen Position zum Lebensschutz. Ganz aktuell zur „Pille danach“ (siehe hierzu auch Seite 22 dieser Ausgabe). Wer, wie etwa der Bonner Journalist Martin Lohmann, in TV-Talkshows Sätze sagt wie „Die Lehre, daß man nicht töten darf, gilt immer“ oder auf eine „Vielschichtigkeit“ der Entscheidungsfreiheit der Frau hinweist, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Lohmanns apodiktische Art, mit Katechismus-Thesen zu argumentieren, polarisiert. Die von Haß triefenden Zuschriften, die „satanischen Mails“, die bei Lohmann eingegangen sind, sind ein Gradmesser einer „sprunghaften Feindseligkeit“, wie sie Papst Benedikt XVI. schon vor Jahren ausgemacht hat. Eine angeblich dem Diskurs und der Pluralität von Überzeugungen gegenüber aufgeschlossene Medienwelt verweigert den Respekt vor christlichen Positionen (siehe Interview auf dieser Seite).

Dazu kommt die Lust, innerkirchliche Konflikte herbeizureden. Kardinal Meisner hat in der Frage der „Pille danach“ eine „lehramtliche“ Äußerung getan, die als „Kehrtwendung“ in der katholischen Sexualmoral gedeutet wurde. Im Fall einer Vergewaltigung, hatte Meisner erklärt, sei nichts gegen das Verschreiben von Präparaten einzuwenden, die eine Befruchtung der Eizelle verhindern. Es geht, stellte der Kardinal Tage später in einem Schreiben an die Kirchenmitarbeiter klar, um die „Anwendung unserer bisherigen moraltheologischen Prinzipien auf die neue Situation, die jetzt durch eine Vielzahl von neuen Medikamenten gegeben ist, die unter den Begriff ‘Pille danach’ fallen, aber keine abtreibende Wirkung haben, sondern ausschließlich eine Verhinderung der Befruchtung verursachen“.

Das ist mitnichten eine neue Lehrmeinung. Denn am Prinzip, daß keine Abtreibung einer befruchteten Eizelle erfolgen darf, wird nicht gerüttelt. Die zentrale Botschaft der Kirche lautet auch weiterhin: Wir treten für die unbedingte Achtung des menschlichen Lebens ein, ganz am Anfang und ganz am Ende. Und weil das so ist, wird auch künftig ein Sturm der Entrüstung um das Schiff, das sich Kirche nennt, fegen – entfesselt von jenen, die sich einer „Diktatur des Relativismus“ beugen, einseitig das „Selbstbestimmungsrecht“ der Frau betonen und nur das eigene Ich und seine Wünsche gelten lassen.

„Sprungbereite Feindseligkeit“ prägte auch die Reaktionen auf den Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der in der Welt von „gezielten Diskreditierungskampagnen“ gegen die Kirche gesprochen hatte. Es würden Attacken geritten, „deren Rüstzeug zurückgeht auf den Kampf der totalitären Ideologien gegen das Christentum“. Es wachse „eine künstlich erzeugte Wut, die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert“.

Prompt funktionierten altbekannte Reflexe. Müllers, durchaus vorsichtige, Formulierungen wurden in einen Kontext zum „Holocaust“ gesetzt. Auch sogenannte Qualitätszeitungen beteiligten sich, neben den üblichen Verdächtigen aus der Politik, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Volker Beck und Claudia Roth (beide Grüne), an der Anti-Müller-Kampagne.

Bemerkenswert: Ein Repräsentant des Judentums kam dem Erzbischof zu Hilfe. Er habe keinen Vergleich mit dem Holocaust erkennen können, meldete sich Rabbi David Rosen, Internationaler Direktor des amerikanisch-jüdischen Komitees für interreligiöse Angelegenheiten: „Dies dem Interview zu entnehmen, kann nur böswillige Absicht sein.“

Deutsche Zeitungen versteckten dieses Statement in einer kleinen Meldung. Das Wort des Rabbi paßte nicht ins Feindbild von Medien, die strategisch kalkulieren, wie lange sich ein so „heißes“ Thema am Laufen halten läßt. Das führt zu thematischen Verzerrungen. Am Ende hat das Ganze mehr mit Agitation als mit Information zu tun.

In der an Konflikten orientierten medialen Realität ist das Thema „Homo-Ehe“ ein Dauerbrenner. Woche für Woche sitzt die katholische Kirche auf der Anklagebank. Dabei wird ignoriert, was der Katechismus über gleichgeschlechtlich veranlagte Menschen sagt: „Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.“

Dieser Aussage steht freilich das glasklare Nein zu einer ehelichen Verbindung zweier Homosexueller gegenüber. Als Konsequenz aus der kirchlichen Lehre von der Ehe als Verbindung von Mann und Frau, um eine Familie zu gründen. Das katholische Ehesakrament hat eine wesentlich tiefere Bedeutung als jede andere Lebensgemeinschaft.

Sakramente sind nicht mit Grundrechten gleichzusetzen, die ein liberaler Rechtsstaat seinen Bürgern zu garantieren hat. Sie sind Glaubenselemente einer religiösen Gemeinschaft, aus denen sich der Staat eigentlich herauszuhalten hätte. Aber der grassierende religiöse Analphabetismus verändert die Wahrnehmung von Kirche, speziell der katholischen Sakramentenlehre. Die Diskussion wird kämpferisch unter dem politischen Schlagwort der „Gleichberechtigung“ geführt, die Kampagnenführer scheuen sich nicht, von „Wahrheit“ zu sprechen. Wenn aber alles wahr sein sollte, selbst das Gegenteil, was ist dann noch wahr?

Die Journalisten Martin Lohmann und Birgit Kelle hatten im November 2012 bei Frank Plasberg („Hart aber fair“, ARD) den christlichen Familienbegriff, die Ehe von Mann und Frau, verteidigt. Ein gefährliches Unterfangen. Die Kölner Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) empfand das als „Diskriminierung“ von Homosexuellen, Lohmann verlor seinen Lehrauftrag. Die MHMK definiert sich als Hochschule, „um die mediale Gesellschaft schon heute zu reflektieren“. Schöne Aussichten für die Meinungsfreiheit.

Foto: Martin Lohmann auf dem Petersplatz in Rom: „Satanische Mails“

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