© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Beginn des Dualismus
Vor 250 Jahren endete in Hubertusburg der Siebenjährige Krieg auch in Deutschland
Karlheinz Weissmann

Preußen feiert heute nicht Friedrichs II. Sieg, sondern den Hubertusburger Frieden“, äußerte Bismarck aus Anlaß der Säkularfeier des Vertrags von 1763, der den Siebenjährigen Krieg beendet hatte. Bei anderer Gelegenheit fügte er noch hinzu, daß die Zusammenarbeit Preußens und Österreichs der sicherste Schutz Deutschlands gegen jede Einmischung von außen sei. Wie ehrlich das gemeint war, drei Jahre vor dem entscheidenden Waffengang gegen den Habsburgerstaat und acht Jahre vor der Gründung des neuen Reiches, sei dahingestellt. Fest steht indes, daß der Dualismus zwischen Preußen und Österreich, der als Ergebnis des Siebenjährigen Krieges entstanden war, bis dahin tatsächlich ein gewisses Maß an Stabilität der deutschen Verhältnisse garantiert hatte und vielen Zeitgenossen als sinnvolle Ordnung der Dinge erschien.

Daß es überhaupt dahin gekommen war, lag letztlich an jenem „Mirakel des Hauses Brandenburg“, das Friedrich den Großen nach eigenen Worten vor der Übermacht seiner Gegner – Österreich, Frankreich, Rußland – gerettet hatte und nach dem Friedensschluß aller anderen mit Preußen zuletzt auch Österreich zwang, einem Waffenstillstand (am 24. November 1762), dann einem Abkommen zuzustimmen, das den Kampf beendete. Die auf dem Jagdschloß Hubertusburg bei Oschatz ausgehandelten Bedingungen legten fest, daß Preußen endgültig Schlesien und die Grafschaft Glatz erhielt, während Österreich nicht sehr viel mehr bekam als die Garantie für den Fortbestand Sachsens und die geheime Zusage, daß die brandenburgische Kurstimme für den Sohn Kaiserin Maria Theresias, den nachmaligen Joseph II., abgegeben werde. Ohne Zweifel hatte sich Preußen damit die größeren Vorteile gesichert, was man auch als Hinweis darauf betrachten kann, daß die eigentliche Konsequenz des Friedens von Hubertusburg im Text nicht erwähnt wurde: die Anerkennung Preußens als Großmacht.

Niemand mußte Friedrich dem Großen erklären, wie prekär dieser Status war: Der Krieg hatte sein Land ausgeblutet, weder im Hinblick auf die Bevölkerung und die natürlichen Ressourcen, noch im Hinblick auf die Finanzen und die historische Dauer konnte man Preußen mit Österreich, Frankreich, Großbritannien oder Rußland vergleichen. Insofern betrachtete der König den Frieden von 1763 vor allem als Gelegenheit, sein Land wieder aufzubauen und zu stärken. Alle weitergehenden Pläne, die er selbst am Beginn des Siebenjährigen Krieges hegte, wies er jetzt zurück. Vor der Niederlage bei Kolin am 2. Juni 1757 hatte er noch ein zweites Pharsalos erwartet, das heißt einen definitiven Sieg im deutschen „Bürgerkrieg“, danach mußte er diese Hoffnung aufgeben. Vorschläge wie den später an ihn herangetragenen, ein norddeutsches Kaisertum zu errichten und damit die Reichseinheit endgültig zu sprengen, wies er zurück.

Trotzdem wird man sagen müssen, daß der Dualismus Preußen-Österreich mehr war als ein historischer Zufall, denn er brachte Tendenzen wieder zur Geltung, die seit dem Mittelalter und spätestens seit der Reformation in der deutschen Geschichte latent gewesen waren. Das gilt für den Konflikt zwischen Welfen und Staufern, aber zweifellos für den zwischen Protestantismus und Katholizismus. Nachdem zuerst Schweden, dann Sachsen als evangelische Führungsmächte ausgeschieden waren, trat Preußen diese Stellung an, obwohl am Ende des 18. Jahrhunderts die eigentlich religiöse Dimension schon in den Hintergrund gedrängt war. Trotzdem bleibt bezeichnend, welche Rolle in der öffentlichen Meinung Großbritanniens das Bündnis mit Preußen unter dem Gesichtspunkt der „antipapistischen“ Solidarität gespielt hat.

Für die Politikgeschichte im engeren Sinn war das allerdings eher Nebensache, so wie man aus größerer Perspektive auch den Frieden von Hubertusburg als Nebensache einschätzen kann, wenn man seine Konsequenzen mit den Folgen des Pariser Friedens vergleicht, der kurz zuvor am 10. Februar 1763 abgeschlossen worden war. Dieser Vertrag beendete den parallel zum Siebenjährigen Krieg vor allem in Übersee ausgefochtenen Konflikt zwischen Großbritannien und Portugal auf der einen, Frankreich und Spanien auf der anderen Seite. Die Niederlage Frankreichs war so vollständig, daß es praktisch seinen gesamten Kolonialbesitz in Nordamerika und Indien verlor. Wenn man 1763 als Geburtsjahr des deutschen Dualismus bezeichnet, kann man es umgekehrt das Todesjahr des britisch-französischen nennen. Zwar hat Frankreich immer wieder versucht, dieses Ergebnis des Siebenjährigen Krieges zu korrigieren, ohne damit aber irgendwelchen Erfolg zu haben.

In seiner klassischen Darstellung zur Entstehung des britischen Empire meint John R. Seeley, jeder Brite erinnere sich, wenn die Rede auf den Siebenjährigen Krieg komme, an „die Schlacht auf den Höhen von Abraham, den Tod von Wolfe und die Eroberung Kanadas“. Demgegenüber werden in Deutschland weder der hier gemeinte Kampf um Québec, noch das tapfere Sterben General Wolfes noch die Besetzung Französisch-Kanadas je einen Widerhall gefunden haben.

Die Ursache liegt in einer Perspektivbeschränkung, die den Siebenjährigen Krieg entweder als eine Art „Dritten Schlesischen Krieg“ oder als innerdeutsche Angelegenheit mißversteht. Allerdings ist auch die Vorstellung, es habe sich nur um einen „French and Indian War“ gehandelt, eine Verkürzung. Winston Churchill hat deshalb vorgeschlagen, von einem „Ersten Weltkrieg“ zu sprechen, ohne Zweifel auch das eine heikle Formel, wenn man darunter ein koordiniertes, alle Kontinente umspannendes Vorgehen der kämpfenden Parteien versteht, aber eine treffende, wenn man sich auf den Aspekt bezieht, daß die Auseinandersetzung zwischen 1756 und 1763 tatsächlich eine globale Dimension hatte und ihre historischen Folgen eben nicht im Besitzerwechsel einzelner Provinzen bestanden, sondern in der Entstehung neuer politischer Konstellationen, die die Weltgeschichte verändern mußten.

Foto: Johann Daniel Schleuen, Friedrich der Große, Kaiserin Maria Theresia und August III. von Sachsen beim Friedensschluß auf Schloß Hubertusburg, Kupferstich 1763: Der Kampf um die Vormacht in Deutschland sollte erst über hundert Jahre später entschieden werden

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