© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Umwelt
AKW nicht versicherbar
Volker Kempf

Was kostet ein Supergau in Frankreich?“ fragte sich die französische Regierung. Das französische Institut für Strahlenschutz und Atomsicherheit (IRSN) rechnet für einen „schwerwiegenden“ Unfall 117 Milliarden Euro, bei einem „sehr großen“ Unfall mit massiver radioaktiver Verseuchung mit 421 Milliarden Euro. Der Supergau entspricht etwa einem Sechstel der französischen Jahreswirtschaftsleistung und dem Mehrfachen dessen, was bislang die Fukushima-Katastrophe kostete. Den größten Schaden hätte mit 160 Milliarden Euro die Wirtschaft zu erleiden – vor allem durch Imageverluste im Agrar-und Tourismusbereich. Doch schon über die Grenzwerte radioaktiver Kontaminierung eines AKW im Normalbetrieb streiten sich die Experten. Eine andere Frage ist, wer für die Schäden im Ernstfall zahlen soll. In Frankreich haften AKW-Betreiber nur mit 100 Millionen Euro, in Deutschland liegt die Versicherungspflicht bei 2,5 Milliarden Euro je AKW.

Da private Versicherer aber nur Atomhaftpflichtsummen bis etwa 250 Millionen Euro anbieten, haben die Energiekonzerne eine Solidarhaftung vereinbart. Was über 2,5 Milliarden Euro hinausgeht trägt – wie in Japan – der Steuerzahler. Für die Chemie- oder Pharmabranche gilt hingegen keine Staatshaftung. Und wohin mit dem Atommüll? Auch hier ist letztendlich der Steuerzahler wieder dran. Frankreich stellt nun immerhin Fragen, die vor Fuku­shima undenkbar waren: Sollte der Atomstromanteil gesenkt werden? Ja, von 75 auf 50 Prozent bis 2025, sagt die Regierung. Angesichts der Beträge, um die es in der Euro-Krise geht, sind 421 Milliarden inzwischen keine unvorstellbare Größe mehr, das kann man handhaben wie die Griechenlandhilfe. Aber irgend etwas scheint an der Berechnung nicht zu stimmen. Ein Land, dessen Finanzsystem kollabiert, kann man mit 421 Milliarden vielleicht wiederaufbauen, aber ein verseuchtes Land wird noch über Generationen und über Landesgrenzen hinweg weiterstrahlen.

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