© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Grüße aus Jerusalem
„Tod den Arabern“
Philipp Gracht

Fußball ist in Israel nicht einfach nur ein mannschaftlich betriebener Ballsport. Das Private ist hier hochpolitisch. Linksliberale Tel Avivniks jubeln, schießt Hapoel Tel Aviv ein Tor. Palästinensische Israelis, immerhin 20 Prozent der Bevölkerung, fiebern in der Regel mit Bnei Sachnin. Und was ein echter Likudnik ist – Anhänger der Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahus – oder noch weiter rechts steht, drückt traditionell Beitar Jerusalem die Daumen.

Spielt Jerusalem dann gegen Tel Aviv oder den Palästinenserverein, geht es in der Regel hoch her. Die Araber, obschon Paß-Israelis, pfeifen dann hingebungsvoll, wenn die israelische Hymne HaTikva gespielt wird, und die Ultras aus Jerusalem begleiten jeden palästinensischen Ballkontakt mit einem rustikalen „Tod den Arabern, Tod den Amalekitern“.

Bibelfest wie sie offenbar sind, erinnern sie sich an den Stamm im Lande Kanaan, mit dem die Israeliten seinerzeit um das Land rangen. Und verlieren sie ein Spiel, so geht der harte Kern der Fans schon mal in Hundertschaften in ein Einkaufszentrum, um den dortigen arabischen Geschäftsinhabern ordentlich Angst einzujagen – so geschehen im vergangenen Jahr. Linke Medien sprachen aufgeregt von einem Pogrom. Aber auch die rechte Regierung unter Benjamin Netanjahu verurteilte den Vorfall.

Doch seit kurzem richtet sich der Zorn vieler Fans von Beitar Jerusalem nach innen. Der russisch-jüdische Clubbesitzer hat mit der Berufung zweier moslemischer Spieler gegen ein ungeschriebenes Vereinsgesetz verstoßen, das seit der Gründung 1936 galt: „Beitar rein für immer.“ Dabei sind die beiden unter Vertrag genommenen Fußballer noch nicht mal Araber. Beide stammen sie aus Russisch-Tschetschenien. Das kann den harten Kern der Fans nicht trösten.

Aus Protest steckten vier von ihnen kürzlich das Vereinsbüro an. Devotionalien der Clubgeschichte gingen in Flammen auf. Verletzt wurde niemand. Vergangene Woche wurden sie festgenommen. Dabei versucht die Vereinsleitung zusammen mit der Politik volkspädagogisch längst alles, was man auch aus Europa kennt, Spruchbänder gegen Rassismus inbegriffen. In diesen Fällen vergeblich. Die Masse der schwarz-gelben Fans scheint die Botschaft aber verstanden zu haben. Sie klatscht inzwischen Beifall, wenn einer der moslemischen Neuspieler eingewechselt wird.

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