© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Tönen und Schweigen
Dresden: Gedenkkonzert mit Mozart-Requiem
Sebastian hennig

Das öffentliche Gedenken an die Opfer des alliierten Bombenterrors ist in Dresden weitgehend zur Grimasse erstarrt. Die Verwaltung kommandiert ihre Beschäftigten zur erwünschten Willensbekundung wie weiland unter Honecker. Frei bleiben die Gedanken und einige Traditionen unantastbar. Dazu gehören die jährlich am 13. und 14. Februar stattfindenden Gedenkkonzerte der Dresdner Staatskapelle.

1951 begann die Tradition mit der Aufführung von Verdis Requiem unter Rudolf Kempe. Die Totenmesse des Italieners war seither das meistgespielte Stück zu diesem Anlaß, gefolgt von Johannes Brahms „Deutschem Requiem“ und dem Requiem von Mozart. Das letzte Werk von Mozart dirigierte der Chefdirigent Christian Thielemann auch in diesem Jahr.

Zu hören war nicht üppiger Schmelz, sondern eine musikalische Unerbittlichkeit. Die Streicher schnitten wie überscharfe Messer ins Gemüt. Das „Domine“ wogte dahin, während die Violinen wie eine Gischt darüberhüpfen. Eine überaus glückliche Sängerauswahl garantierte vor allem in den Quartetten große Wirkungen. Der fast maskuline Alt von Christa Mayer spiegelte sich effektvoll im außergewöhnlich hellen Tenor von Daniel Behle. Der ebenso strahlende Sopran von Genia Kühmeier wird gehalten von Alastair Miles’ trockenem Baß.

Das letzte Werk von Mozart ist kein überirdischer Engelsgesang. Die göttliche Kraft äußert sich in ganz menschlicher Musik, die einem zuweilen den Boden wegzieht. Thielemanns Musiziergebote führten stellenweise zu Anklängen an Messen von Schubert und Bruckner. So unterlief der Chefdirigent die lokalen Hörgewohnheiten zuletzt mit seiner Wiedergabe des Weihnachtsoratoriums im Advent 2011 in der Frauenkirche.

Es gibt ein anderes wiederkehrendes Ereignis, welches Musik und Pietät verbindet: die Jahresschlußandacht in der Kathedrale, bei der Kapellknaben und Musiker der Staatskapelle das „Te Deum“ von Johann Adolf Hasse zur Aufführung bringen.

Nach dem Gedenkkonzert in der Oper erheben sich Orchester und Publikum zu einer Schweigeminute. In der Jahreszeit der Erkältungen und Hustenanfälle, die sich in den Beifallspausen kaskadenartig zu entladen pflegen, ist nie sonst eine derartige beredte Stille zu vernehmen.

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