© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Mitten in einem Kulturkampf
Ehe und Familie im Gegenwind: Ein internationales Colloquium am Lindenthal-Institut in Köln rückte Maßstäbe zurecht / Hochkarätige Referenten aus den USA und Italien
Leonhard Lauterstein

Wie kann es sein, daß sich in den letzten Jahren in der Gesellschaft zunehmend Zerrbilder von Ehe und Familie etablieren konnten? So daß man den Eindruck gewinnen mußte, nichteheliche Gemeinschaften hätten der legalisierten Form bereits den Rang abgelaufen und ein hoher Anteil der Bevölkerung gehörte zu den praktizierenden Anhängern der Homosexualität? Daß dieser Stimmungswandel ein zweifelhafter Erfolg der Medien ist und wir uns mitten in einem Kulturkampf befinden, läßt sich wohl nicht bestreiten.

Sich angesichts der desolaten Lage Bedeutung und Konsequenzen einer „Neudefinition“ von Ehe vor Augen zu führen, um darauf angemessen reagieren zu können, war Ziel und Zweck eines Colloquiums des Lindenthal-Instituts, das kürzlich in Köln stattfand. Unter dem Motto „Ehe und Familie im Gegenwind – Liberalisierung der Ehe unterwirft die Familie der Politik“ waren mit Sergio Belardinelli, Professor für Kultursoziologie an der Universität Bologna, und Robert P. George, zwei hochkarätige Referenten eingeladen.

Der Harvard-Absolvent George – laut New York Times „The Conservative-Christian Big Thinker“ – der an der Princeton University Rechtswissenschaften lehrt, hat mit seinem im vergangenen Jahr publizierten Essay „What is Marriage?“ der gleichgeschlechtlichen Ehe den Kampf angesagt. Seine darin vorgetragenen Thesen waren auch in Köln Thema.

Die Ehe sei, so der naturrechtlich argumentierende Jurist, als eine ganzheitliche, komplementäre Beziehung von Mann und Frau zu betrachten, die auf Kinder ausgerichtet sei und eine lebenslängliche Perspektive mit Exklusivitätsanspruch der Eheleute beinhalte. All dies seien Charakteristika, die nicht nur auf jüdisch-christlichen Wertvorstellungen beruhten, sondern sich bereits bei antiken Denkern wie Aristoteles, Sokrates und Platon finde und die auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht zuträfen, ebensowenig auf „polyamouröse Ensembles“ – neuartige Formen von Verhältnissen, wie sie neuerdings, etwa von der an der New York University lehrenden Judith Stacey, öfter in die öffentliche Diskussion eingebracht werden.

Linksliberale Kreise wendeten nun diesen Kunstgriff einer Neudefinition an, die letztlich auf die Abschaffung der Ehe abzielt. Einer solchen neuen Form der Ehe wird damit lediglich ein emotionaler, zuweilen auch sexualromantischer Sinngehalt zugesprochen. Alle anderen Bedingungen fallen weg, wodurch sie kompatibel wird für die ungewöhnlichsten partnerschaftlichen Verbindungen und nun nicht mehr das darstellt, was sie ihrer genuinen Bedeutung nach ist.

Auf den krassen Gegensatz zwischen Familien in der Realität und ihrer Darstellung in den Medien machte Sergio Belardinelli in seinem Vortrag aufmerksam. Er bezeichnete die Familie als die „primäre soziale Form“ der Gesellschaft, der eine Schlüsselfunktion zufalle, denn eine liberale Kultur komme ohne Vertrauen, Verantwortung, Kindererziehung nicht aus – ohne all die Dinge, die von intakten Familien geleistet würden. Zwar sprechen die Statistiken eine deutliche Sprache, wenn sie seit Jahren einen deutlichen Anstieg der Scheidungen und einen Rückgang der Eheschließungen und Geburten registrieren, dennoch hat die Familie nach wie vor einen hohen Stellenwert, gerade auch bei der jungen Bevölkerung.

In der abschließenden Diskussionsrunde erhofften sich die Fragesteller aus dem Publikum eine Antwort darauf, wie die Deutungshoheit der Medien bei der Vermittlung schräger Ehe- und Familienvorstellungen zu brechen sei. Professor Georges streitbares und beherztes Credo: „Unsere Vorfahren waren bereit, für ihre Überzeugungen zu sterben“ ließ aufhorchen. Mit diesen Worten ermutigte er seine Zuhörer, sich nicht in eine „katholische Subkultur“ zurückdrängen zu lassen, sondern sich politisch zu engagieren, sich zu diesen Themen öffentlich und lautstark zu Wort zu melden und religionsübergreifende Allianzen zu bilden. Seine Schrift „What is Marriage?“ ist übrigens von jüdischer, moslemischer, orthodoxer, evangelikaler und katholischer Seite gleichermaßen gewürdigt worden.

www.lindenthal-institut.de

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