© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Ohne Gregor geht es nicht
Bundestagswahl: Schlechte Umfragen, das Aus in Niedersachsen und die Stasivorwürfe gegen Fraktionschef Gysi setzen der Linkspartei zu
Christian Schreiber

Es sind keine guten Zeiten für die Linkspartei. Gerade erst sind die Sozialisten aus dem Niedersächsischen Landtag geflogen, und die Vorhersagen für die Wahlen im Herbst in Bayern, kurz vor der Bundestagswahl, verheißen nichts Gutes. Sollte nicht ein Wunder geschehen, wird die tiefrote Truppe auch in Süddeutschland scheitern. Der GAU, ein Rauswurf aus dem Bundestag, droht der Partei allerdings wohl nicht, zu stark sind noch die verbliebenen Bastionen in Mitteldeutschland.

Doch die Unterstützung für die Linke sei rückläufig, analysierte die Demoskopin Renate Köcher vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Sie hat sich zur Ostpartei zurückentwickelt, verliert aber auch dort an Unterstützung.“ Dennoch wird es Ende September vermutlich zu einem Ergebnis zwischen sechs und sieben Prozent reichen. Für mehr müßte die Partei im Revier der Nichtwähler fischen. Die Meinungsforscher von Forsa haben unlängst ermittelt, daß besonders viele Nichtwähler Sympathien für linke Themen hätten. Sie fühlten sich „überproportional oft“ wirtschaftlich benachteiligt. 26 Prozent der Nichtwähler verorten sich als links, nur elf Prozent als rechts. Bei der vergangenen Bundestagswahl war die Linkspartei in dieser Gruppe besonders erfolgreich.

Die Vorstellung des Wahlprogramms in der vergangenen Woche offenbarte allerdings wenig Neues. Mit einer radikalen Umverteilung staatlicher Mittel will man sich im Bundestagswahlkampf als führende sozialpolitische Kraft positionieren. Bei der Vorstellung des Programms sagte der Bundesvorsitzende Bernd Riexinger, der Partei gehe es darum, eine „neue Solidarität in der Gesellschaft zu mobilisieren“ mit einem „Blick nach unten und Biß nach oben“. Das Papier beinhaltet höhere Steuern für einkommensstarke Menschen und Vermögen auf der einen Seite sowie Forderungen nach einer gesetzlichen Mindestrente, einem flächendeckenden Mindestlohn, mehr Kindergeld und einer Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen auf der anderen Seite. Ein Verbot von Leiharbeit sowie die Abschaffung der Privaten Krankenversicherung zugunsten einer Bürgervollversicherung tauchen ebenfalls auf, ähnliches hatte die Partei bereits vor vier Jahren gefordert. Des weiteren fordern die Postkommunisten einen Verzicht auf deutsche Waffenexporte und den Rückzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen, vor allem aus Afghanistan. Riexinger und die Kovorsitzende Katja Kipping sprachen davon, daß die Partei über ein unverwechselbares Profil verfügen würde. Doch es gibt Stimmen, die der Partei vorwerfen, zuwenig provokativ aufzutreten. „Von Revolution keine Spur“, ätzte beispielsweise die taz.

Die verbale Zurückhaltung geschieht offenbar aus Kalkül. Mit eindeutigen Angeboten an SPD und Grüne will sich die Partei als möglicher Koalitionspartner empfehlen und sich aus der bisherigen bundespolitischen Totalopposition verabschieden. „Ich halte nichts davon, vor Wahlen alles Mögliche auszuschließen.“ Ob die Linke den SPD-Kandidaten Peer Steinbrück wählen könne, hänge für ihn ausschließlich von Inhalten ab. „Alles andere wäre kindisch“, sagte Riexinger der Bild-Zeitung. Ausgelöst hatte die Debatte der ehemalige Parteichef Lothar Bisky. In einem Interview mit der Zeit sagte der Europaabgeordnete, ein rot-rot-grünes Bündnis wäre „eine Chance für Die Linke, aus ihrer Enge herauszukommen. Die Vorstellung, man dürfe eine bestimmte andere Partei auf keinen Fall berühren, ist doch unglaublich kindisch. Man findet sie nur bei den Parteien der Arbeiterklasse, die damit schon in der Weimarer Republik böse gescheitert sind.“ Bei den Sozialdemokraten hielt sich die Begeisterung in engen Grenzen.

Allerdings verfügt die Linkspartei nach wie vor über wenig taugliches Personal, vor allem, um im Westen punkten zu können. Dem achtköpfigen Wahlkampfteam gehören zwar mit Lafontaine-Freundin Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch neben Frontmann Gregor Gysi drei deutschlandweit bekannte Figuren an, über wirkliche Strahlkraft verfügt aber nur der Fraktionsvorsitzende. „Gregor und die sieben Zwerge“, spottete die taz.

Dabei wird Gysi durch immer neue Stasivorwürfe selbst mehr und mehr zum Problem. Laut Spiegel soll er dazu beigetragen haben, daß eine Juristin, deren Mann „Republikflüchtling“ war, in der DDR nicht als Rechtsanwältin zugelassen wurde. Gysi bestreitet bislang alle Vorwürfe vehement, und die Parteiführung stellt sich vor ihn. Sie haben auch keine andere Möglichkeit. Denn ohne Gysi bleiben nur noch die Zwerge. Das weiß auch die Basis. Am vergangenen Sonnabend wurde er auf dem Parteitag der Berliner Linken mit 94 Prozent der Stimmen auf Platz eins der Landesliste für die Bundestagswahl gesetzt.

Foto: Linksfraktionschef Gregor Gysi: Die Stasivorwürfe machen ihn für die Partei immer mehr zum Problem

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