© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Gegen die Abzockerei
Schweiz: Per Volksabstimmung entscheiden die Eidgenossen, ob sich Manager weiter mit Begrüßungsmillionen und goldenen Fallschirmen ausstatten
Frank Liebermann

Abzocker ist inzwischen ein beliebtes Schimpfwort zur Titulierung von Unternehmenschefs. In der Schweiz gibt es am 3. März eine Volksabstimmung, die die Selbstbedienung von Managern stoppen soll. Die sogenannte Abzockerinitiative hat eine lange Geschichte. Bereits im Jahr 2005 lancierte der Kleinunternehmer Thomas Minder im Alleingang sein Vorhaben. Ursache waren Pleiten wie die der Swissair, bei der sich Manager Riesengehälter und Abfindungen bezahlen ließen, während die Beschäftigten auf der Straße standen. 2008 hatte der SVPler die verlangte Anzahl von Unterschriften eingereicht. Minder ließ sich aufgrund von vielen Versprechen vertrösten, da das Parlament zusicherte, ein Gesetz zur Begrenzung der Managerlöhne einbringen zu wollen. 2012 war es dann soweit. Bei einem Verzicht auf die Volksabstimmung sollte das Gesetz in Kraft treten. Die Initianten lehnten es allerdings als „zahnlosen Tiger“ ab, da es weiterhin überzogene Entschädigungen ermöglichen würde.

Die Initiative möchte, daß die Aktionäre jährlich über die Vergütungen des Managements abstimmen. Dabei müssen die Pensionskassen, bei denen fast jeder Schweizer für seine Rente zwangsversichert ist, im Sinne ihrer Mitglieder abstimmen. Abgangsentschädigungen, Antrittsgelder und Boni für Firmenkäufe und -verkäufe werden verboten. Ziel ist eine Reduzierung der Managergehälter, durch die Stärkung der Aktionärsrechte. Die Gegner halten dies für nicht praktikabel. Jährliche Wahlen seien bürokratisch und sehr teuer, und außerdem würde es, da es keine Deckelung der Boni gebe, immer noch zu Lohnexzessen kommen.

Die Parteien sind zerstritten. Vor allem im Hause Blocher hat der Abstimmungskampf Spuren hinterlassen. Während der Altpatron der Partei Christoph Blocher und Inhaber der EMS Chemie ein Gegner der Initiative ist, kämpfte sein Schwiegersohn Roberto Martullo an vorderster Front dafür und gewann die Abstimmung der SVP klar für sich. Nach seinem Sieg mußte sich der Regionalpolitiker viel Kritik gefallen lassen. Kurze Zeit später trat er wegen des „medialen Drucks“ von seinem Amt zurück. SVP-Kritiker vermuten, daß Blocher dahinterstecke. Aber auch die anderen Parteien stehen gegen ihre Wähler. CVP, FVP, SP und Grüneliberale sind gegen die Abzockerinitiative, während fast alle Demoskopen eine starke Zustimmung über alle Parteiangehörigen ausmachen.

Die Wirtschaft bekämpft die Initiative massiv. Dies zeigt sich schon an den finanziellen Mitteln der jeweiligen Gruppierungen. Während sich Minder mit 200.000 Franken für seine Kampagne begnügen muß, können die Gegner mit acht Millionen Franken aus dem vollen schöpfen.

Ihr bester „Wahlhelfer“ für die Initiative ist Daniel Vasella. Als Chef des Pharmariesen Novartis wollte sich der demnächst zurücktretende Konzernvorsitzende ein Wettbewerbsverbot mit 72 Millionen über die nächsten fünf Jahre vergolden lassen. Vasella kündigte zwar an, den Betrag spenden zu wollen, aber da brach der Sturm schon über ihn herein. Selbst Gegner der Initiative wie der FDP-Präsident Philipp Müller warfen Vasella vor, die „liberale Schweiz aufs Schafott zu führen“. In den Medien herrscht Einigkeit: damit hat Vasella ein Eigentor geschossen.

www.abzockerinitiativeja.ch/

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