© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Erlauchte Krähen unter sich
Kollegenschelte: Ex-Bankchef Ludwig Poullain kritisiert die Deutsche Bank als Zockerbude
Richard Stoltz

Im Online-Dienst des Berliner Hauptstadtmagazins Cicero findet sich ein Aufsatz, der lebhafte, wenn auch gemischte Gefühle auslösen dürfte. Er ist mit „Abgesang auf die Deutsche Bank“ überschrieben und stammt von Ludwig Poullain (93), dem legendären langjährigen Vorsitzenden der WestLB. der 1977, im Jahr seines Abgangs, die sogenannte „Poullain-Affäre“ auslöste.

Jetzt äußert sich Poullain derart scharf über seine Kollegen von der Deutschen Bank, daß deren sämtliche Kunden vor Angst wohl am liebsten in ein Mauseloch kriechen möchten. Die Deutsche Bank, donnert der alte Herr, kümmere sich den Deibel um Kunden. Sie sei heute „nur noch eine Zockerbude“. Mit Josef Ackermann habe 2002 ein Mann den Vorstand übernommen, der sich „in der Pose eines Biedermanns Max Frischscher Prägung, artverfremdet durch seinen nach Blut und Boden duftenden Namen“, einzig noch „um die Erzielung einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent“ sorge. Und Ackermanns zwei Nachfolger hätten nicht das geringste an der Misere geändert.

Kein Zweifel, Poullain weiß, wovon er spricht. Besitzt er aber auch persönliche Glaubwürdigkeit? In der Poullain-Affäre von 1977 kam heraus, daß er seit 1972 einen Beratervertrag mit dem späteren WestLB-Großkunden und Unternehmer Franz Josef Schmidt laufen hatte, der ihm persönlich über eine Million D-Mark einbrachte. Nachdem Schmidts Firma in Schieflage geraten war, übernahm Poullain Ende 1976 deren Schulden in Höhe von etwa 33 Millionen D-Mark. Anschließende Justizverfahren erwiesen zwar, daß der WestLB-Chef nie einen Hehl aus seinem Beratervertrag gemacht und ihn ordnungsgemäß versteuert hatte. Es geht auch die Politfama, daß die Affäre planmäßig von der damaligen SPD-Regierung von NRW unter Heinz Kühn angezettelt worden sei, weil Poullain die Wirtschaftspolitik von Helmut Schmidt öffentlich kritisiert hatte. Aber Poullain mußte dennoch zurücktreten und trug seitdem einen Makel mit sich herum, den er nie wieder abschütteln konnte. Die Deutsche Bank wird seine Polemik gelassen beiseite legen.

So geht es eben in der Politik zu. Sie hat entweder ein kurzes oder ein langes Gedächtnis, ganz wie die jeweiligen Herren der Gegenwart es sich wünschen. Aber gut geschrieben und lesenswert ist der Poullain-Aufsatz in Cicero allemal.

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