© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Zeitschriftenkritik: Philosophie Magazin
Wir müssen uns entschleunigen
Werner Olles

Leben wir zu schnell?“ fragt das zweimonatlich erscheinende Philosophie Magazin im Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe (Februar/März 2013). Die Frage ist berechtigt, denn die Beschleunigung und der Dauerdruck haben in den letzten Jahrzehnten in fast allen beruflichen und privaten Lebensbereichen beträchtlich zugenommen. Die üblen Folgen davon beobachten medizinische Wissenschaft und natürlich Betroffene in gehäuft auftretenden psychischen Erkrankungen wie Burn-out, und Depressionen, aber auch in körperlichen Beeinträchtigungen, die von Rückenschmerzen und Magenproblemen bis hin zum Herzinfarkt reichen.

Notwendig wäre also eine vernünftige Entschleunigung, um der inneren und äußeren Rastlosigkeit, auf die oft eine totale Ermattung folgt, vorzubeugen. Doch braucht es dafür vor allem Zeit, Ruhe und Geduld – Eigenschaften, die in Zeiten extremer Hochbelastung für viele kaum erreichbar sind. Der schnellebige Mensch entfernt sich so immer weiter vom Ideal eines guten Lebens und opfert der allseitigen und umfassenden Beschleunigung womöglich sogar noch einen guten Teil seiner eigenen Lebenszeit.

Während wachsende Mobilität, digitale Revolution und ständig steigende Leistungsanforderungen an diesem Dilemma nicht unschuldig sind, wird die Entdeckung der Langsamkeit in einer immer schnelleren Welt zum absoluten Phänomen. Wenn bei Aldi in einer Stunde 90 Kunden durch eine einzige Kasse geschleust werden, pro Tag in Deutschland etwa 70 Millionen SMS-Nachrichten verschickt werden und sich unser Kommunikationstempo seit dem 19. Jahrhundert um das Zehnmillionenfache beschleunigt hat – gleichzeitig verringerte sich die durchschnittliche Schlafzeit um gut zwei Sunden –, wäre es wohl an der Zeit, diesen neurotischen Aktionismus kritisch zu hinterfragen und einmal über neue Handlungsoptionen nachzudenken.

Mit Sicherheit gehört dazu nicht die Droge „Crystal Meth“, die inzwischen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet eine ganze Gesellschaft umzukrempeln beginnt. Zwar paßt sie zum Bedürfnis nach besserem Funktionieren in der Leistungsgesellschaft, doch in der Suchtregion Oberfranken, dem „Land des Metamphetamins“, ist sie zu einem großen Problem geworden. Nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation ist Crystal heute die nach Cannabis weltweit am meisten verbreitete Droge, da die Leute glauben, es handle sich dabei um ein leistungssteigerndes Mittel. Vietnamesen kontrollieren Herstellung und Verkauf auf den Asia-Märkten kurz hinter der Grenze. Trotz täglicher Zugriffe deutscher Fahnder kommen die Käufer zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad über die grüne Grenze. Zuletzt wurde gar von Brieftauben berichtet, die Crystal transportieren.

Außerdem im Heft: ein Streitgespräch zwischen dem Schriftsteller und Unternehmer Ernst-Wilhelm Händler und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sowie ein Interview mit Umberto Eco.

Kontakt: Philomagazin Verlag, Brunnenstr. 143, 10115 Berlin. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, ein Jahresabo 36 Euro.

http://philomag.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen