© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Blick in die Medien
Warum Pirat Lauer nicht mehr twittert
Toni Roidl

Erst Brüderles Dirndl-Gate, dann die Amazon-Knechte, dann Pferdelasagne! Gleichzeitig noch Meteoriten-Weltuntergang und der Nazi der Woche. Niemand kommt mit dem Empören noch hinterher. Schnappatmung als Dauerzustand. Worüber regen wir uns morgen auf?

Die Medien brauchen immer weniger Zeit, um ein leichtes Wellenkräuseln im Wasserglas zu einem Tsunami aufzupeitschen. Die Woge rollt in wenigen Tagen durchs Land, schwappt zu Plasberg und Will. Die letzten Ausläufer sind die üblichen Witzchen bei Twitter. Nach zwei Wochen schäumt die nächste Empörungsbrandung, und noch zwei Wochen später kann sich an die vorherige kaum noch einer erinnern.

Der Sarkasmus, mit dem die Aufreger zu Witzen verwurstet werden, zeigt einen menschlichen Abwehrreflex gegen die Vorturner des Empörungssports. Die Leute schütteln sich wie nasse Hunde und gehen wieder zum Alltag über. Was sollen sie auch sonst tun? Alles ernst nehmen und mit sofortiger Wirkung das Kundenkonto bei Amazon löschen? Amazon wird den jetzigen „Skandal“ im Dezember in seiner Jahresbilanz kaum als Delle wahrnehmen können. Auch Apple wird nicht ein einziges iPhone weniger verkauft haben wegen dieser einen Geschichte mit den Foxconn-Arbeitern in China. Was war da nochmal? Vergessen.

Ausgerechnet der Berliner Fraktionschef der Piraten hat kürzlich sogar, entnervt von Beleidigungen und Zeitvergeudung, seinen Twitter-Kanal einschlafen lassen und dies in einem Gastbeitrag in der FAZ kundgetan. Sozialstreß und Medienunfälle, nein danke. Als Kommunikationsmedium, ließ er wissen, sei Twitter für ihn gestorben.

Betroffene dürfen daraus schließen, daß es sich gar nicht mehr lohnt, auf einen medialen „Shitstorm“ mit ausgeklügelten PR-Strategien zu reagieren. Einfach ignorieren und weitermachen. Und auf den nächsten Riesenskandal warten. Die Verbraucher tun’s auch.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen